Mitgliedschaft im Deutschen AnwaltVerein Logo

 

Fortbildungssymbol-farbig-klein.png

 

MLogo_farbig-JPG_0.jpg

 

 

 

Presserecht

Bundesgerichtshof, Urteil vom 08.04.2014, AZ: VI ZR 197/13 - Mieterfest

Bundesgerichtshof zur Zulässigkeit der Bildberichterstattung über das Mieterfest einer Wohnungsgenossenschaft in deren an ihre Mieter gerichteten Informationsbroschüre.
Urteilstext: 

 

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

VI ZR 197/13

in dem Rechtsstreit

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 8. April 2014 durch den Vorsitzenden Richter Galke, die Richter Wellner, Pauge und Stöhr und die Richterin von Pentz

für Recht erkannt:

Die Revisionen gegen das Urteil der 27. Zivilkammer des Landgerichts Berlin vom 26. März 2013 werden auf Kosten der Klägerinnen zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerinnen, Großmutter, Tochter und Enkelin, nehmen die Beklagte, eine Wohnungsbaugenossenschaft, auf Zahlung einer Geldentschädigung und von Abmahnkosten wegen einer ohne ihre Einwilligung erfolgten Veröffentlichung und Verbreitung eines Fotos in Anspruch, das die Klägerinnen gemeinsam auf einem von der Beklagten im August 2010 veranstalteten Mieterfest zeigt.

Bei dem jährlich stattfindenden Mieterfest der Beklagten wurden Fotos gefertigt, unter anderem das beanstandete Foto, auf dem im Vordergrund die Klägerinnen zu 1 und 2 zu sehen sind, wie sie die Klägerin zu 3, ein Kleinkind, füttern. Dieses Foto veröffentlichte die Beklagte in ihrer Broschüre "Informationen der Genossenschaft", Ausgabe 2010, neben weiteren neun Fotos, auf denen Teilnehmer des Mieterfestes, einzeln und in Gruppen, zu sehen sind. Die Broschüre wurde in einer Auflage von 2.800 Stück hergestellt und an Genossenschaftsmieter verteilt.

Auf ein vorgerichtliches Anwaltsschreiben der Klägerinnen gab die Beklagte eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, weigerte sich jedoch, den ebenfalls begehrten "Schadensersatz" in Höhe von insgesamt 3.000 € und die Abmahnkosten in Höhe von 837,52 € zu zahlen. Die hierauf gerichteten Klagen hat das Amtsgericht abgewiesen. Die Berufungen der Klägerinnen hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit den vom Berufungsgericht zugelassenen Revisionen verfolgen die Klägerinnen ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts scheidet ein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung der Klägerinnen gegen die Beklagte aus § 823 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG bereits deshalb aus, weil jedenfalls keine schwere Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerinnen vorliegt. Ein Anspruch der Klägerinnen auf Erstattung der Abmahnkosten scheitere daran, dass es bereits an der dafür erforderlichen Voraussetzung einer rechtswidrigen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerinnen bzw. ihres Rechts am eigenen Bild aus § 823 Abs. 1 BGB, §§ 22, 23 KUG i. V. m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG fehle. Die Verbreitung des Bildnisses der Klägerinnen in der Mieterbroschüre der Beklagten ohne deren Einwilligung sei zwar nicht bereits nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG erlaubt, weil die Teilnahme der Klägerinnen an dem Mieterfest kein zeitgeschichtliches Ereignis gewesen sei. Jedoch sei die Veröffentlichung des Bildnisses der Klägerinnen jedenfalls nach § 23 Abs. 1 Nr. 3 KUG auch ohne deren Einwilligung zulässig gewesen. Der Anwendungsbereich dieser Regelung sei nicht von vorne- herein auf Fotos von Personengruppen beschränkt, sondern erfasse auch sogenannte repräsentative Aufnahmen, bei denen einzelne Personen als charakteristisch und beispielhaft für die Ansammlung herausgegriffen worden seien. Die auch im Rahmen des § 23 Abs. 1 Nr. 3 KUG erforderliche Abwägung zwischen dem Interesse der Klägerinnen am Schutz ihrer Persönlichkeit und dem von dem Beklagten wahrgenommenen Informationsinteresse der Öffentlichkeit führe zu dem Ergebnis, dass die Veröffentlichung des Bildnisses der Klägerinnen auch ohne deren Einwilligung zulässig gewesen sei.

II.

A) Die Revision ist entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung uneingeschränkt zulässig. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann die Revision auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffs beschränkt werden, der Gegenstand eines selb- ständig anfechtbaren Teil- oder Zwischenurteils sein könnte (Senatsurteile vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03, VersR 2005, 84, 86; vom 3. August 2010 - VI ZR 113/09, VersR 2011, 896 Rn. 8; vom 16. Juli 2013 - VI ZR 442/12, VersR 2013, 1181 Rn. 13; vom 17. September 2013 - VI ZR 95/13, VersR 2013, 1406 Rn. 6 und Senatsbeschluss vom 17. April 2012 - VI ZR 140/11, VersR 2012, 1140 Rn. 3; BGH, Beschluss vom 10. Februar 2011 - VII ZR 71/10, NJW 2011, 1228 Rn. 11, jeweils mwN). Hat das Berufungsgericht - wie hier - die Zulassungsentscheidung ohne einschränkenden Zusatz in den Tenor aufgenommen, kann sich eine Beschränkung der Zulassung aus der Begründung der Zulassungsentscheidung ergeben. Daran fehlt es hier. Vielmehr scheidet bei einer - vom Berufungsgericht angenommenen und mit der Zulassungsfrage angesprochenen - Zulässigkeit der Bildberichterstattung sowohl ein Anspruch auf Zahlung von Abmahnkosten als auch ein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung aus.

B) Das Berufungsurteil hält im Ergebnis revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.

1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hatten die Klägerinnen gegen die Beklagte allerdings bereits deshalb keinen Anspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2, § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 22, 23 KUG, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG auf Unterlassung der Veröffentlichung des beanstandeten Bildnisses, weil dieses Bild dem Bereich der Zeitgeschichte zuzuordnen ist (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG) und berechtigte Interessen der Abgebildeten nicht ver- letzt wurden (§ 23 Abs. 2 KUG). Auf die Zulassungsfrage nach der Reichweite des § 23 Abs. 1 Nr. 3 KUG kommt es deshalb nicht an.

2. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Zulässigkeit von Bildveröffentlichungen nach der gefestigten Rechtsprechung des erkennenden Senats nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG zu beurteilen ist (vgl. grundlegend Senatsurteile vom 6. März 2007 - VI ZR 51/06, BGHZ 171, 275 Rn. 9 ff.; vom 18. Oktober 2011 - VI ZR 5/10, VersR 2012, 116 Rn. 8 f.; vom 22. November 2011 - VI ZR 26/11, VersR 2012, 192 Rn. 23 f.; vom 18. September 2012 - VI ZR 291/10, VersR 2012, 1403 Rn. 25 f. und vom 28. Mai 2013 - VI ZR 125/12, VersR 2013, 1178 Rn. 10, jeweils mwN), das sowohl mit verfassungsrechtlichen Vorgaben (vgl. BVerfGE 120, 180, 201 ff.) als auch mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Einklang steht (vgl. EGMR NJW 2004, 2647; 2006, 591 sowie NJW 2012, 1053 und 1058). Danach dürfen Bildnisse einer Person grundsätzlich nur mit deren Einwilligung verbreitet werden (§ 22 Satz 1 KUG). Hiervon besteht allerdings gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG eine Ausnahme, wenn es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt. Diese Ausnahme gilt aber nicht für die Verbreitung, durch die berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden (§ 23 Abs. 2 KUG).

3. Nach diesen Grundsätzen war die von den Klägerinnen angegriffene Veröffentlichung der beanstandeten Bildberichterstattung auch ohne ihre Einwilligung zulässig.

a) Bei dem beanstandeten Foto der Klägerinnen handelte es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte. Schon die Beurteilung, ob Abbildungen Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG sind, erfordert eine Abwägung zwischen den Rechten der Abgebilde- ten aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK einerseits und den Rechten der Medien aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK andererseits (vgl. etwa Senatsurteil vom 28. Mai 2013 - VI ZR 125/12, aaO Rn. 12 mwN). Der für die Frage, ob es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt, maßgebende Begriff des Zeitgeschehens umfasst alle Fragen von all- gemeinem gesellschaftlichem Interesse. Dazu können auch Veranstaltungen von nur regionaler oder lokaler Bedeutung gehören (vgl. zu Sportveranstaltungen Senatsurteil vom 28. Mai 2013 - VI ZR 125/12, aaO). Ein Informationsinteresse besteht allerdings nicht schrankenlos, vielmehr ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen und es bedarf gerade bei unterhalten- den Inhalten im besonderen Maß einer abwägenden Berücksichtigung der kollidierenden Rechtspositionen (vgl. Senatsurteile vom 1. Juli 2008 - VI ZR 67/08, VersR 2008, 1411 Rn. 20 und - VI ZR 243/06, VersR 2008, 1506 Rn. 20; vom 13. April 2010 - VI ZR 125/08, VersR 2010, 1090 Rn. 14 und vom 28. Mai 2013 - VI ZR 125/12, aaO Rn. 12 f.). Der Informationsgehalt einer Bildberichterstattung ist im Gesamtkontext, in den das Personenbildnis gestellt ist, zu ermitteln.

b) Die Bildberichterstattung in der Informationsbroschüre der Beklagten befasst sich mit dem - jährlich stattfindenden - Mieterfest der beklagten Wohnungsbaugenossenschaft im August 2010 und zeigt repräsentativ auf insgesamt zehn Bildern Teilnehmer, sowohl in Gruppen, als auch einzeln. Die Bilder fangen Szenen des Mieterfestes ein, die ein harmonisches Zusammensein von Jung und Alt in fröhlicher und entspannter Atmosphäre zeigen. Die Bildberichterstattung vermittelt den Eindruck, dass Mitbewohner aller Altersgruppen das Fest genossen haben und zwischen ihnen gute nachbarschaftliche Beziehun- gen bestehen. In diesen Zusammenhang passt gerade das Bild der Klägerin- nen, welches drei Generationen vereint. Zwar gibt es - außer dem Hinweis auf das Mieterfest und der Ankündigung der entsprechenden Veranstaltung im Folgejahr - keine begleitende Textberichterstattung, doch bereits durch die Auswahl der gezeigten Fotos wird dem Leser - so zutreffend das Berufungsgericht - ein Eindruck über dessen Verlauf vermittelt. Das Mieterfest ist ein Ereig- nis von lokaler gesellschaftlicher Bedeutung. Die Informationsbroschüre der Beklagten, in der über das Fest berichtet wurde, war an ihre Mieter gerichtet, also an den (beschränkten) Personenkreis, der üblicherweise an dem Fest teil- nahm und entsprechend der Ankündigung eingeladen war, im Folgejahr teilzunehmen. Das Recht, über solche zeitgeschichtlichen Ereignisse aus dem gesellschaftlichen Bereich zu berichten, steht grundsätzlich auch der Beklagten zu, wenn sie eine Informationsbroschüre herausgibt; denn auch eine solche Broschüre gehört zu den Medien. Die Beklagte kann sich - wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat - unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG auf ein schützenswertes Interesse beru- fen, ihre Genossenschaftsmieter im Bild über den Ablauf und die Atmosphäre der Veranstaltung zu informieren. Die Bildberichterstattung der Beklagten über das Mieterfest in ihrer Informationsbroschüre an ihre Mieter erfüllt eine wichtige Funktion, denn ein solches Fest pflegt und schafft gute nachbarschaftliche Beziehungen. Die Berichterstattung vermittelt den Eindruck, dass die Mitbewohner sich in der Wohnungsbaugenossenschaft wohlfühlen und es sich lohnt, dort Mitglied bzw. Mieter zu sein.

c) Die Beeinträchtigung der Rechte der Klägerinnen durch das - ohne Namensnennung - veröffentlichte Foto ist dagegen gering. Es handelte sich um ein für alle Mieter und Mitbewohner zugängliches Fest, über welches die Be- klagte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts schon in den Vorjahren in ihrer Mieterbroschüre in Bildern berichtet hatte. Insofern war zu erwarten, dass in entsprechender Weise auch über das Mieterfest 2010 berichtet werden würde. Es bestehen keine Anhaltspunkte, dass das Foto heimlich angefertigt wurde, auch wenn die Klägerinnen die Anfertigung der konkreten Aufnahmen möglicherweise nicht bemerkt haben. Die Informationsbroschüre der Beklagten wurde schließlich nur an ihre Mieter verteilt, mithin an einen begrenzten Adressatenkreis, aus dem die Teilnehmer des Mieterfestes stammten. Die Revision macht schließlich nicht geltend, dass die Veröffentlichung des Bildes die kindgerechte Entwicklung der Klägerin zu 3 beeinträchtigen könnte. Dafür ist auch nichts ersichtlich.

4. Der Verbreitung des beanstandeten Bildnisses stehen auch keine besonderen schützenswerten Interessen der Klägerinnen entgegen (§ 23 Abs. 2 KUG). Das Bild ist in keiner Weise unvorteilhaft oder ehrverletzend. Entsprechendes macht die Revision auch nicht geltend.

5. War mithin die von den Klägerinnen angegriffene Veröffentlichung der beanstandeten Bildberichterstattung auch ohne ihre Einwilligung zulässig, besteht weder ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Abmahnkosten noch ein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.

Galke    Wellner    Pauge  Stöhr    von Pentz

1. Instanz: AG Berlin-Charlottenburg, Entscheidung vom 19.10.2012 - 224 C 184/12

Gerichtsart Vorinstanz: 
LG
Gerichtsort Vorinstanz: 
Berlin
Datum Vorinstanz: 
26. März 2013
Aktenzeichen Vorinstanz: 
27 S 18/12

OLG Koblenz zum Anspruch auf Löschung von Foto- und Videoaufnahmen aus dem Intimbereich

OLG Koblenz zum Löschungsanspruch von Video- und Bilddateien aus dem Intimbereich
Urteilstext: 

Geschäftsnummer: 3 U 1288/13

OBERLANDESGERICHT

​KOBLENZ

 

Im Namen des Volkes

Urteil

 

in dem Rechtsstreit

Beklagter, Berufungskläger und Berufungsbeklagter,

- Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt …
 

gegen

Klägerin, Berufungsbeklagte und Berufungsklägerin,

- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte …

 

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Grünewald, die Richterin am Oberlandesgericht Haberkamp und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Reinert auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 8. April 2014

für Recht erkannt:

 

1)    Die Berufungen der Klägerin und des Beklagten gegen das Teil-, Anerkenntnis- und Endurteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz – Einzelrichter - vom 24. September 2013 werden zurückgewiesen.

2)    Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

3)    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4)    Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe:

 

I.

 

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Löschung von sie zeigenden Lichtbildern und Filmaufnahmen in Anspruch, die sich auf elektronischen Vervielfältigungsstücken des Beklagten befinden.

Die Parteien hatten in der Vergangenheit eine Beziehung. Der Beklagte, der von Beruf Fotograf ist, erstellte während dieser Zeit zahlreiche Bild­aufnahmen von der Klägerin, auf denen diese unbekleidet und teilweise bekleidet sowie vor, während und nach dem Geschlechtsverkehr mit dem Beklagten zu sehen ist. Teilweise hat die Klägerin intime Fotos selbst erstellt und dem Beklagten in digitalisierter Form überlassen. Zudem besitzt der Beklagte Lichtbilder von der Klägerin, die sie bei alltägli­chen Handlungen ohne intimen Bezug zeigen.

Nach Beendigung der Beziehung leitete der Beklagte verschiedene ihm zuvor von der Klägerin übersandte E-Mails an die Fir­menadresse des Zeugen ...[A], dem Ehemann der Klägerin, weiter. Dadurch erhielten Mitarbeiter die Möglichkeit, Einsicht in die E-Mails zu nehmen. Eine von dem Zeugen ...[A] eingerichtete technische Blockade der E-Mail-Adresse des Beklagten umging dieser, indem er von einer neuen, zuvor unbekannten Adresse weitere E-Mails an den Zeugen ...[A] sendete und dabei auch aus von der Klägerin an ihn gerichteten intimen E-Mails zitierte. Auf Antrag des Zeugen ...[A] erließ das Amtsgericht Frankfurt am 07.06.2013 eine einstweilige Verfügung, wonach es dem Beklagten untersagt wurde, an den Zeugen E-Mails zu senden (Anlage K 12, GA 135).

Die Klägerin hat den Beklagten zunächst u. a. auch in Anspruch genommen, es zu unterlassen, sie, die Klägerin zeigende Licht­bilder und/oder Filmaufnahmen ohne ihre Einwilligung Dritten und/oder öf­fentlich zugänglich zu machen oder machen zu lassen, von ihr erhaltene E-Mails und/oder Textnachrichten über Skype und/oder SMS ohne ihre Ein­willigung Dritten und/oder öffentlich zugänglich zu machen oder machen zu lassen, sowie E-Mails und/oder SMS und/oder sonstige elektronische Nachrichten an sie, die Klägerin, zu senden.

Nachdem die Parteien sich in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht durch einen Teilvergleich geeinigt haben, dass der Beklagte die vorgenannten Anträge anerkennt und die Klägerin weitergehende Anträge zurücknimmt, hat die Klägerin, soweit im Berufungsverfahren noch von Interesse, zuletzt beantragt,

den  Beklagten zu verurteilen, die in seinem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz befindlichen elektronischen Vervielfältigungsstücke von die Klägerin zeigenden Lichtbildern und/oder Filmaufnahmen vollständig zu löschen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage insoweit abzuweisen.

Das Landgericht hat den Beklagten, soweit im Berufungsverfahren von Interesse, durch Teil-, Anerkenntnis- und Endurteil unter Abweisung des weitergehenden Löschungsantrages verurteilt,

die in seinem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz befindlichen elektronischen Vervielfältigungsstücke von die Klägerin zeigenden Lichtbildern und/oder Filmaufnahmen, auf denen die Klägerin

- in unbekleidetem Zustand,

- in teilweise unbekleidetem Zustand, soweit der Intimbereich der Klägerin    

  (Brust und/oder Geschlechtsteil) zu sehen sei,

- lediglich ganz oder teilweise nur mit Unterwäsche bekleidet

- vor/ während

          oder im Anschluss an den Geschlechtsverkehr,

abgebildet ist,

vollständig zu löschen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, der Klägerin stehe ein Anspruch auf Löschung im bezeichneten Umfang gemäß §§ 823, 1004 BGB in Verbindung mit ihrem allgemeinen Persönlichkeits­recht zu. Da die Aufnahmen im Einverständnis der Klägerin erstellt worden seien, liege zunächst kein rechtswidriger Eingriff in das das Recht am eigenen Bild umfassende allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin vor. Denn die Einwilligung zur Herstellung von Bildnissen habe zugleich - unter persönlichkeitsrechtlichen Gesichtspunkten - die Einwilligung zum Inhalt, dass ein anderer die erlaubterweise hergestellten Bildnisse in Besitz haben und über sie verfügen dürfe.

Die Klägerin sei aufgrund ihres allgemeinen Persönlichkeits­rechts allerdings berechtigt, die Einwilligung in die Herstellung der Bildnisse, ähnlich wie eine Einwilligung in die Veröffentlichung von Lichtbildern, zu widerrufen, nämlich dann, wenn die Fortgeltung der einmal erteilten Einwilligung in Widerspruch trete zu den vom Persönlich­keitsrecht geschützten Belangen des Abgebildeten. Der Widerruf der Einwilligung in die Anfertigung eines Lichtbildes könne den Akt der Bildniserstellung zwar nicht rückwirkend rechtswidrig machen. Allerdings habe er die Wirkung, dass - unter dem Blickwinkel des Persönlichkeitsrechts - nun­mehr die Befugnis des Adressaten entfalle, über das Bildnis und den darin verkörperten Aspekt der Persönlichkeit des Abgebildeten zu verfügen.

Im Streitfall sei es erforderlich, der Klägerin ein Widerrufsrecht jedenfalls hinsichtlich der Lichtbilder und Film­aufnahmen zu gewähren, die sie in intimen Situationen zeigten. Diese Aufnahmen be­träfen den Kernbereich des Persönlichkeitsrechts, für den ein besonderer Schutz notwendig sei. Dies gelte insbesondere im Hinblick darauf, dass die Fotos und Filme geeignet seien, das Ansehen der Klägerin gegenüber Dritten in erheblicher Weise zu beeinträchtigen. Zwar solle dem Beklagten nicht unterstellt werden, dass er beabsichtige, die Aufnahmen dritten Personen zugänglich zu machen und insoweit sei auch durch das Teilanerkenntnisur­teil klargestellt, dass er die Fotos und Filme ohne Einwilligung der Klägerin Dritten nicht zugänglich machen dürfe. Gleichwohl folge al­lein aus der Existenz dieser Fotos und Filme die keineswegs auszu­schließende Möglichkeit, dass die Aufnahmen auch ohne Zutun des Beklagten, z.B. durch Entwendung von Rechner oder Speichermedien, in die Hände unbefugter Dritter gelangen und so auch unter von dem Beklagten nicht gewollten Umständen ihren Weg in die Öffentlichkeit finden könnten.

Dies spreche dafür, der Klägerin die Befugnis einzuräumen, nach Beendigung der Bezie­hung über das Schicksal der sie in intimen Situationen zeigenden Aufnahmen  zu ent­scheiden. Wollte man ihr unter diesen Umständen die Möglichkeit eines Widerrufes abschneiden, würde dies bedeuten, dass sie fortan darauf angewiesen sei, darauf zu vertrauen, dass der Beklagte die Fotos so sorg­sam verwahre, dass ein Zugriff für Dritte ausgeschlossen sei. Man würde ihr damit jegliche Möglichkeit nehmen, über die Ver­wahrung oder die Vernichtung der Aufnahmen zu entscheiden. Dies sei der Klägerin jedenfalls bei den intimen Aufnahmen nicht zuzumuten.

Aus der maßgeblichen Sicht der Klägerin bestehe durchaus Anlass daran zu zweifeln, dass der Beklagte die Fotos so sorgfältig wie möglich verwahren werde. Auch wenn der Beklagte wiederholt geäußert habe, dass er die Fotos nicht veröffentlichen werde, könne nicht unbe­rücksichtigt bleiben, dass er vertrauliche E-Mails der Klägerin mit intimem Inhalt an die Firmenadresse des Ehemann mit der Möglichkeit der Kenntnisnahme durch unbeteiligte Dritte weitergeleitet habe. Selbst wenn es dem Beklagten darum gegangen sein sollte, gegenüber dem Ehemann etwaige Behauptungen zu den näheren Umständen der Beziehung klarzustellen und er tatsächlich nicht gewollt habe, dass dritte Personen Kenntnis erlangen, komme durch sein Verhalten, zu deren Unterbindung eine einstweilige Verfügung notwendig gewesen sei, in objektiver Hinsicht eine gewisse Sorglosigkeit im Umgang mit persönlichen und intimen Daten der Klägerin zum Ausdruck Dies begründe die Besorgnis, dass der Beklagte auch bei der Aufbewahrung der Fo­tos und Filme - wenn auch nur ungewollt - nicht die erforderliche Sorgfalt walten lasse.

Schließlich sei zu würdigen, dass sich die Umstände, unter denen die Klägerin ihr Einver­ständnis mit den Aufnahmen erteilt habe, maßgeblich geändert hätten. Zum Zeitpunkt der Erstel­lung der Aufnahmen habe zwischen den Parteien eine Beziehung bestanden, welche ersichtlich Grundlage für die Herstellung auch intimer Foto- und Filmaufnahmen gewesen sei. Diese gemeinsame Basis sei jedoch durch die zwischenzeitliche streitige Trennung der Parteien nicht mehr vorhanden.

Diesem Ergebnis stünden überwiegende Interessen des Beklagten nicht entgegen. Die Fo­to- und Filmaufnahmen seien innerhalb der Beziehung der Parteien entstanden. Vertragliche Be­ziehungen bestünden insoweit nicht. Auch habe der Beklagte für die Erstellung der Bilder und Filme kein Entgelt zahlen müssen. Zudem sei die Grundlage für die Erstellung der Fotos und Filme zwi­schenzeitlich entfallen, weil die Beziehung beendet sei. Unter diesen Umständen sei auf Seiten des Beklagten zwar zu berücksichtigen, dass die Fotos für ihn einen künstlerischen Wert hätten und der Erinnerung an die gemeinsame Beziehung dienten. Gegenüber diesen Umständen überwiege jedoch das ebenfalls grundrechtlich abgesicherte allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin.

Der Löschungsanspruch bestehe aber nicht für Aufnahmen, die die Klägerin beklei­det in Alltags- und Urlaubssituationen zeigten. Diese Lichtbilder tangierten das Per­sönlichkeitsrecht der Klägerin in einem geringeren Maße und seien auch weniger geeignet, das Ansehen der Klägerin gegenüber Dritten zu beeinträchtigen. Hinsichtlich dieser Fotos erachte es das Gericht daher auch für die Klägerin als zumutbar, wenn diese im Besitz des Beklagten ver­blieben.

Gegen das Urteil richten sich die Berufungen beider Parteien.

Der Beklagte wendet sich gegen die teilweise erfolgte Verurteilung zur Löschung, während die Klägerin weiterhin die vollständige Löschung begehrt.

Der Beklagte trägt nunmehr vor,

die Klägerin habe keinen Anspruch auf Löschung von elektronischen Vervielfältigungsstücken von Lichtbildern und/oder Filmaufnahmen, da diese in seinem Eigentum  stünden. Die von ihm erstellten Fotografien und Videofilme mit erotischem Inhalt seien auf Wunsch der Klägerin, die ihn geliebt habe, und mit deren Einverständnis gefertigt worden. Die Klägerin habe ihm zudem -unstreitig- eine Vielzahl selbst von ihr erstellter Fotos oder Videos übersandt, die sie unbekleidet zeigten (Anlagekonvolut B 3, GA 279 ff.). Er lege Wert darauf, dass er zu der Klägerin nicht nur ein sexuelles Verhältnis unterhalten, sondern eine Liebesbeziehung bestanden habe. Die Klägerin sei unstreitig nie zur Fortsetzung der Liebesbeziehung gedrängt worden. Er habe nie damit gedroht, die Fotografien zu veröffentlichen. Das Landgericht habe bei seiner Entscheidung die grundgesetzlich geschützten Begriffe des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, der Kunstfreiheit und die Auswirkungen in die Einwilligung in Lichtbildaufnahmen und letztlich auch das Kunsturhebergesetz verkannt. Es stehe ihm aufgrund seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts und aufgrund seines Berufs als Fotograf und des Rechts auf Kunstfreiheit zu, über die Fotografien und Videofilme zu verfügen. Da die Klägerin ihre Einwilligung zur Fertigung der Aufnahmen erteilt habe, sei sie nicht berechtigt, diese Einwilligung für die Zukunft zu widerrufen. Die Verurteilung zur Löschung der Lichtbilder stelle einen unzulässigen Eingriff in die Eigentumsgarantie dar. Es handele sich um eine enteignende Maßnahme. Das Landgericht lasse unberücksichtigt, dass der Urteilstenor auch Bilder umfasse, die die Klägerin selbst von sich erstellt und ihm geschenkt habe. Der auf Löschung gerichtete Antrag der Klägerin sei auch zu unbestimmt. Das Landgericht habe gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO verstoßen, weil es der Klägerin etwas zugesprochen habe, was diese nicht beantragt habe. Zudem sei die Urteilsformel zu unbestimmt und daher nicht vollstreckungsfähig, insbesondere was die Formulierung „im Anschluss an den Geschlechtsverkehr“ anbelange.

Der Beklagte beantragt nunmehr

unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage hinsichtlich   

des Löschungsantrages insgesamt abzuweisen,

Die Klägerin beantragt,

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen

sowie mit ihrer Berufung,

unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils den Beklagten zu verurteilen,

die in seinem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz befindlichen         elektronischen Vervielfältigungsstücke von die Klägerin zeigenden Lichtbildern und/oder Filmaufnahmen vollständig zu löschen.

Die Klägerin trägt vor,

der Beklagte habe zwischenzeitlich weite Teile seiner Berufungserwiderung im Internet veröffentlicht und durch Veröffentlichung auf ... multipliziert. Das Landgericht habe den Löschungsanspruch zu Unrecht teilweise abgewiesen. Es habe die Regelungen des Bundesdatenschutzgesetzes übersehen und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht ausreichend beachtet.

Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angegriffenen Urteil sowie die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 ZPO).

II.

Die zulässigen Berufungen der Parteien sind unbegründet.

1. Berufung des Beklagten

Das Landgericht hat der Klägerin zu Recht einen Anspruch auf Löschung der sich im unmittelbaren oder mittelbaren Besitz des Beklagten befindlichen elektronischen Vervielfältigungsstücke im bezeichneten Umfang zugesprochen.

a) Die formellen Angriffe des Beklagten gegen das Urteil bleiben ohne Erfolg.

aa) Entgegen der Auffassung des Beklagten (BB 19, GA 270)  ist der Löschungsantrag im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmt. Es erschließt sich ohne weiteres, was die Klägerin verlangt. Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, die in seinem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz befindlichen elektronischen Vervielfältigungsstücke von die Klägerin zeigenden Lichtbildern und/oder Filmaufnahmen vollständig zu löschen. Der Klageantrag erfasst damit alle im Besitz des Beklagten befindlichen Medien, auf denen sich die beanstandeten Aufnahmen befinden.

bb) Die Berufung des Beklagten rügt auch ohne Erfolg, dass das Landgericht gegen   § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO verstoßen habe. Nach dieser Vorschrift ist das Gericht nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Gemeint sind damit unzulässige „Mehr-„ und „Aliud“-Entscheidungen. Zulässig ist es aber, wenn das Gericht weniger („minus“) zuspricht, als beantragt (Zöller-Vollkommer, ZPO, 30. Aufl.,    § 308 Rnr 2 f.  m. w. N.). So aber liegt der Fall hier. Das Landgericht ist hinter dem Löschungsantrag der Klägerin insoweit zurückgeblieben, als es den Löschungsanspruch auf intime Aufnahmen beschränkt hat.

cc) Der Beklagte verweist auch erfolglos auf eine fehlende Bestimmtheit und Vollstreckungsfähigkeit des Tenors, soweit das Landgericht ihn verurteilt hat, Aufnahmen zu löschen, die die Klägerin „im Anschluss an den Geschlechtsverkehr“ zeigen. Die vom Landgericht vorgenommene Eingrenzung ist objektiv hinreichend bestimmt und enthält damit auch einen vollstreckungsfähigen Inhalt. Gemeint sind Aufnahmen, die einen objektiven Bezug zum Geschlechtsverkehr erkennen lassen und damit erkennbar noch in einem Zusammenhang mit dem zuvor durchgeführten Geschlechtsverkehr stehen.

b) Ein  Anspruch der Klägerin auf Löschung dieser Aufnahmen ergibt sich allerdings nicht aus § 6 Abs. 1 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG), weil das Gesetz im Streitfall nicht anwendbar ist. Gemäß § 1 BDSG besteht der Zweck des Bundesdatenschutzgesetzes darin, den Einzelnen davor zu schützen, dass er durch den Umgang mit seinen personenbezogenen Daten in seinen Persönlichkeitsrechten beeinträchtigt wird. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht gewährt dem Einzelnen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, d.h. hier frei darüber zu entscheiden, was mit seinen personenbezogenen Daten erfolgt (BVerfG, Urteil vom 15.12.1983 - 1 BvR 209/83, 1 BvR 269/83, 1 BvR 362/83, 1 BvR 420/83, 1 BvR 440/83; BVerfGE 65, 1, 41 ff- - Volkszählungsgesetz). Durch die Aufnahmen der Klägerin ist dieses Recht auf informationelle Selbstbestimmung zweifelsfrei betroffen.

Nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 BDSG gilt das Gesetz unter bestimmten Voraussetzungen auch für nicht öffentliche Stellen. Dazu zählen nach § 2 Abs. 4 BDSG auch natürliche Personen. Der Beklagte, der von Beruf Fotograf ist, handelte als nicht-öffentliche Stelle im Sinne von § 2 Abs. 4 BDSG. Mit den die Klägerin zeigenden Aufnahmen stehen auch personenbezogene Daten im Sinne des § 3 BDSG in Rede.

Es mag im Rahmen der Prüfung eines Anspruchs auf Löschung der Aufnahmen gemäß § 6 Abs. 1 BDSG offen bleiben, ob diesem Anspruch ein Recht des Beklagten auf Kunstfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 3 GG oder ein Anspruch aus seinem Eigentumsrecht gemäß Art. 14 Abs. 1 GG entgegensteht, weil es sich bei einer Löschung der Fotos um einen enteignenden Eingriff im Sinne von Art. 14 Abs. 3 GG handeln könnte. Insoweit entfalten die Grundrechte für den Bereich des Zivilrechts eine mittelbare Drittwirkung (BVerfGE 7, 198 ff. = NJW 1958, 257 – Lüth-Urteil; Maunz/Dürig/Her-zog-di Fabio, Kommentar, Stand 2001, Art. 2 Rn. 193).  

Denn das BDSG ist im Streitfall, der einen rein privaten Sachverhalt betrifft, nicht anwendbar. Dies folgt aus § 1 Abs. 2 Nr. 3 BDSG und § 27 BDSG, wonach das BDSG nicht einschlägig ist bei Daten „ausschließlich für persönliche oder familiäre Tätigkeiten“. Dies ist vorliegend der Fall, da die Aufnahmen unstreitig nicht zur Veröffentlichung und Verbreitung bestimmt sind.

Entgegen der Auffassung der Klägerin werden die Daten auch nicht dadurch öffentlich, dass der Beklagte sich auf die Kunstfreiheit beruft und Kunst „auf kommunikative Sinnvermittlung nach außen gerichtet ist“. Insoweit geht der Senat mit dem Beklagten davon aus, dass er als Fotojournalist den von ihm gemachten Aufnahmen zwar einen künstlerischen Stellenwert beimisst, die Aufnahmen aber ausschließlich zu persönlichen bzw. privaten Zwecken gefertigt wurden und nicht für Dritte vorgesehen sind.  

c) Ein Anspruch der Klägerin auf Löschung folgt auch nicht aus § 37 KunstUrhG. Danach unterliegen die widerrechtlich hergestellten, verbreiteten oder vorgeführten Exemplare und die zur widerrechtlichen Vervielfältigung oder Vorführung ausschließlich bestimmten Vorrichtungen der Vernichtung.

Die hier in Rede stehenden Lichtbilder und Vervielfältigungsstücke sind nicht widerrechtlich hergestellt worden, da die Klägerin mit der Erstellung der Lichtbilder durch den Beklagten einverstanden war und darüber hinaus diesem von ihr selbst gefertigte Aufnahmen mit intimen Charakter zur Verfügung gestellt hat.

d) Das Landgericht hat jedoch zu Recht einen Anspruch auf Löschung aus §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB (analog) hergeleitet.

Zutreffend führt das Landgericht aus, dass die im Streit stehenden Aufnahmen mit Einverständnis der Klägerin erstellt worden sind. Die Erstellung der Lichtbilder und Filmaufnahmen sowie der damit einhergehende Besitz des Beklagten stellten damit zunächst keinen rechtswidrigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin, das auch das Recht am eigenen Bild umfasst, dar. Die Einwilligung zur Herstellung von Bildnissen hat zugleich die Einwilligung zum Inhalt, dass ein anderer die Bildnisse des Betroffenen in Besitz hat und über sie verfügt (LG Oldenburg, Beschluss vom 24.04.1988 – 5 S 1656/87 – GRUR 1988, 694).

Entgegen der Auffassung des Beklagten schließt die Einwilligung der Klägerin in die Anfertigung der betreffenden Aufnahmen den Widerruf des Einverständnisses für die Zukunft aber nicht aus.

Ob ein Widerruf einer einmal erteilten Einwilligung für die Zukunft möglich ist, ist umstritten (vgl. Helle, Die Einwilligung beim Recht am eigenen Bild, AfP 1985, 93, 99 f.). Die ältere Rechtsprechung (OLG Freiburg, Urteil vom 11.06.1953 – 2 U 52/53 - GRUR 1953 404, 405; vgl. auch Helle, aaO, 100) hat die Widerrufsmöglichkeit, auch unter veränderten Umständen, verneint. Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass ein Widerruf einer Einwilligung einer Medienveröffentlichung nur zulässig sei, wenn sich seit der Einwilligung die Umstände so gravierend verändert hätten, dass eine weitere Veröffentlichung das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen verletzen würde (Frömming, Die Einwilligung im Medienrecht, NJW 1996, 958 unter Bezug auf OLG München, AfP 1987, 570, 571 und Soehring, Presserecht, 2. Auflage 1995, Rn. 19, 49). Dies wird aus einer analogen Anwendung des § 42 Abs. UrhG hergeleitet, wonach der Urheber bei „gewandelter Überzeugung“ Nutzungsrechte gegenüber dem Inhaber widerrufen könne, wenn das Werk seiner Überzeugung nach nicht mehr entspreche und deshalb ihm die Verwertung nicht mehr zugemutet werden könne. Dieselbe Situation wird bei einer Einwilligung in die Medienveröffentlichung angenommen, wenn sich die innere Einstellung des Betroffenen grundlegend gewandelt habe. Auch dann sei eine weitere Publizierung nicht mehr zumutbar (Frömming, ebd.).

Dabei ist die Rechtsnatur der Einwilligung nicht unumstritten. Während der Bundesgerichtshof (Urteil vom 18.03.1980 – VI ZR 1557/78 – NJW 1980, 1903 f.) in einer älteren Entscheidung die Einwilligung wohl noch als Realakt angesehen hat, wobei für die Auslegung der Erklärung die Grundsätze der rechtsgeschäftlichen Erklärungen angewendet werden sollen, ist die jüngere Rechtsprechung der Auffassung, dass die Einwilligung grundsätzlich eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung sei. Ein Widerruf könne nur dann erfolgen, wenn die Bedeutung des Persönlichkeitsrechts dies gebiete, wie z. B. Vorliegen veränderter Umstände, die auf einer gewandelten inneren Einstellung beruhen, so dass dem Betroffenen nicht mehr zumutbar sei, an der einmal abgegebenen Einwilligung festgehalten zu werden (LG Düsseldorf, Urteil vom 27.10.2010 – 12 O 309/10 – ZUM-RD 2011, 247 ff., Juris Rn. 23).

Der Senat folgt der zuletzt genannten Auffassung, weil nur dadurch dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, das auch das Recht am eigenen Bild umfasst, Geltung verliehen werden kann.

Die Bindungswirkung an eine einmal erteilte Einwilligung kann in Widerspruch zu den von dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschützten Belangen des Abgebildeten stehen, so dass dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht Vorrang vor dem Umstand zu gewähren ist, dass der Betroffene der Anfertigung der Lichtbilder zu irgendeinem Zeitpunkt zugestimmt hat.

Im Streitfall ist zu berücksichtigen, dass die Bild- und Filmaufnahmen im privaten Bereich im Rahmen einer Liebesbeziehung  gefertigt worden sind. Sie stehen in keinem Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit des Beklagten, wie es z.B. bei Aufnahmen eines Modells gegen Entgelt der Fall wäre. Es handelt sich um intime, den Kernbereich des Persönlichkeitsrechts betreffende Aufnahmen.

Insoweit ist der Schutzbereich der Berufsausübungsfreiheit des Beklagten nach Art. 12 Abs. 1 GG nicht berührt. Im Raum steht das Recht des Beklagten auf Eigentum gemäß Art. 14 Abs. 1 GGG, das Recht auf Kunstfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 3 GG und das Recht auf allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG. Der Beklagte hat hervorgehoben, dass für ihn auch der künstlerische Wert der Aufnahmen im Vordergrund stehe.

Die Gewährleistung der Kunstfreiheit erfasst sowohl den Bereich der künstlerischen Betätigung, den Werkbereich, als auch die Darbietung und Verbreitung des Kunstwerks, also den Wirkbereich des künstlerischen Schaffens (BVerfG, Urteil vom 22.08.2006 – 1 BvR 1168/04 –BVerfGE  30, 173, 189; BVerfG, Urteil vom  17.07.1984 - 1 BvR 816/82 – BVerfGE 67, 213, 224 - anachronistischer Zug). Betroffen ist hier allein der Wirkbereich des Beklagten. Da der Beklagte aber anerkannt hat und durch Teilanerkenntnis verurteilt worden ist, die Lichtbilder und/oder Filmaufnahmen nicht ohne Einwilligung der Klägerin Dritten zugänglich zu machen, beschränkt sich sein Anliegen allein darauf, sich selbst die Aufnahmen anschauen zu können. Da für die Ausübung der Kunstfreiheit neben dem Schutz des Werkbereichs aber auch der Schutz des Wirkbereichs von erheblicher Bedeutung ist, eine Einschränkung derselben von dem Beklagten aber hingenommen wird, fällt im Rahmen der Abwägung zwischen den schutzwürdigen Belangen des Schutzes des Persönlichkeitsrechts der Klägerin einerseits und des Rechts auf Kunstfreiheit des Beklagten andererseits letzteres Recht nicht mehr erheblich ins Gewicht. Die Kunstfreiheit besteht entgegen dem Wortlaut des Art. 5 Abs. 3 GG auch nicht schrankenlos. Sie muss im Sinne einer effektiven Grundrechtsausübung im Einzelfall hinter anderen Grundrechten zurückstehen (Bülow, Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch künstlerische Werke, 2013, S. 42 f.).

Entsprechendes gilt für das Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG und das Grundecht auf allgemeine Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG.

Ist die Beziehung zwischen den Parteien beendet, ist das aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht abzuleitende Interesse der Klägerin an der Löschung der Aufnahmen höher zu bewerten als das auf seinem Eigentumsrecht begründete Recht des Beklagten an der Existenz der Aufnahmen, die nach seinen eigenen Bekundungen nur ideellen Wert haben kann, da eine Zurschaustellung der Bilder oder eine Veröffentlichung dieser von ihm nach eigenem Bekunden nicht beabsichtigt ist.

Soweit der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat dargelegt hat, dass die Foto- und Filmaufnahmen durch ein Sicherungsprogramm vor dem Zugriff Dritter gesichert seien, hat der Senat erhebliche Zweifel, ob nicht zukünftig durch veränderte Techniken Dritten die Möglichkeit eröffnet wird, eine solches Sicherungsprogramm zu „knacken“. Der Beklagte hat auch auf wiederholte Nachfrage nicht konkret, nachvollziehbar und überzeugend anzugeben vermocht, wie er die Vervielfältigungsstücke dauerhaft und umfassend gegen einen unbefugten Zugriff Dritter geschützt haben will.

Der Senat teilt im Übrigen die Auffassung des Landgerichts, dass aus der maßgeblichen Sicht der Klägerin durchaus Anlass zu Zweifeln besteht, ob der Beklagte mit den Aufnahmen mit der gebotenen größtmöglichen Sorgfalt umgeht. Zu Recht weist das Landgericht darauf hin, dass der Beklagte vertrauliche E-Mails der Klägerin mit intimem Inhalt an die Firmenadresse des Ehemanns mit der Möglichkeit der Kenntnisnahme durch unbeteiligte Dritte weitergeleitet hat. Darüber hinaus hat der Beklagte in der Folgezeit seine E-Mails von verschiedenen Adressen aus abgesendet, um so sicherzustellen, dass diese nicht von vorneherein aussortiert werden. Immerhin war der Erlass einer einstweiligen Verfügung des Amtsgerichts Frankfurt notwendig, um dieses Verhalten zu unterbinden.

Nach Auffassung des Senats ist die Einwilligung in die Erstellung und die damit verbundene Nutzung der in Rede stehenden Lichtbilder zudem zeitlich auf die Dauer der zwischen den Parteien bestehenden Beziehung beschränkt. Es handelte sich um eine zweckbestimmte Einwilligung.

2. Berufung der Klägerin

 

Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, soweit die Klägerin die vollständige Löschung der sie zeigenden Aufnahmen begehrt.

Im Rahmen der Prüfung des Anspruchs auf Löschung gemäß §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB analog, ist zu berücksichtigen, dass unter Beachtung des Grundsatzes der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte das allgemeine Persönlichkeitsrecht und der Umstand der Einwilligung in die Anfertigung einerseits in Abwägung zu bringen sind mit dem Eigentumsrecht des Beklagten an den Lichtbildern und elektronischen Vervielfältigungsstücken sowie dem Recht auf Kunstfreiheit andererseits.

Das Landgericht hebt zu Recht hervor, dass Lichtbilder, die die Klägerin in bekleidetem Zustand in Alltags- oder Urlaubssituationen zeigen, das allgemeine Persönlichkeitsrecht in einem geringeren Maße tangieren und weniger geeignet sind, das Ansehen der Klägerin gegenüber Dritten zu beeinträchtigen. Es ist allgemein üblich, dass bei etwa bei Feiern, Festen und in Urlauben Fotos von Personen in deren Einverständnis gemacht werden und mit diesem Einverständnis zugleich das Recht eingeräumt wird, diese Fotos auf Dauer besitzen und nutzen zu dürfen.

Soweit die Berufung der Klägerin unter Bezugnahme auf die Kommentierung von di Fabio (Maunz/Dürig/Herzog, di Fabio, aaO), die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 15.12.1999 -1 BvR 653/96 – BVerfGE 101, 361 ff. = NJW 2000, 1021 f.- Caroline von Monaco-Entscheidung) und die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (Urteile vom 25.04.1995 -VI ZR 272/94 – NJW 1995, 1955 ff.) und vom 24.05.2013 V ZR 220/12 – NJW 2013, 3089 ff.) argumentiert, dass der Klägerin aus dem Recht am eigenen Bild  und dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein Recht auf vollständige Löschung aller angefertigten Lichtbilder und elektronischen Vervielfältigungen habe, auch soweit diese die Klägerin in unbekleidetem Zustand zeigten, ist zu bemerken, dass diese Entscheidungen einen nicht vergleichbaren Sachverhalt aufwiesen. Die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs betrafen Videoaufnahmen auf einem öffentlichen Weg bzw. die Videoüberwachung in einer Wohnungseigentumsanlage. Bei der zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgesichts ging es um die Aussage, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht auf den häuslichen Bereich beschränkt ist und der Einzelne grundsätzlich auch die Möglichkeit haben muss, an anderen, erkennbar abgeschiedenen Orten von einer Bildberichterstattung unbehelligt zu bleiben.

Im vorliegenden Fall stellt sich die Situation aber so dar, dass die Klägerin nicht ohne ihre Wissen von der Aufnahme der Lichtbilder überrascht worden ist, sondern im Rahmen ihrer Beziehung zu dem Beklagten in die Aufnahmen und die anschließende Nutzung durch den Beklagten eingewilligt hat.

Der Senat ist mit dem Landgericht der Auffassung, dass das Persönlichkeitsrecht der Klägerin in Bezug auf Aufnahmen, die sie in Alltagssituationen zeigen, nicht nur in einem geringeren Umfang betroffen ist, sondern sich die Klägerin auch an der einmal erteilten Einwilligung zur Erstellung der Fotos und der  Nutzung durch den Beklagten festhalten lassen muss. Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 21.03.2014 (GA 341, 364) als Anlage B 6 eine Werbebroschüre des Autohauses vorgelegt, in der die Klägerin selbst abgebildet ist. Diese Aufnahmen, die ebenfalls von dem Beklagten gefertigt worden sind, belegen, dass die Klägerin keine Bedenken hat, vom Beklagten angefertigte Lichtbilder der Öffentlichkeit preiszugeben, wenn es ihren Interessen oder der ihres Ehemannes bzw. Familie dient.

Der Hinweis der Klägerin (Berufungserwiderung, S. 4, GA 334; Schriftsatz vom 24.06.2013, S. 9. GA 127) auf die Entscheidung des Landgerichts Aschaffenburg (Urteil vom 31.10.2011 – 14 O 21/11 – NJW 2012, 287), wonach die Herstellung, Verschaffung oder der Besitz eines Bildnisses ohne Einwilligung des Abgebildeten auch dann eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts darstelle, wenn keine Verbreitungsabsicht bestehe, verfängt nicht. Dort ging es darum, dass von einer Patientin während einer Brustoperation von deren professionellen Betreuer mittels einer Handykamera ohne deren Einwilligung Fotos gemacht wurden. Der vorliegende Fall liegt ersichtlich anders.

Der Klägerin steht ein weitergehender Löschungsanspruch auch nicht nach dem BDSG zu, da dieses im Streitfall nicht anwendbar ist, wie sich aus dem unter II. 1.b) Gesagten ergibt.

III.

Der Senat lässt die Revision gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zur Fortbildung des Rechts zu. Soweit ersichtlich, ist die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Anspruch auf Löschung von Vervielfältigungsstücken außerhalb des Anwendungsbereichs des § 37 KunstUrhG oder des einen Anspruch auf Vernichtung von Vervielfältigungsstücken ausdrücklich vorsehenden § 98 Abs. 1 UrhG besteht, höchstrichterlich noch nicht geklärt.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§  708 Nr. 10, 713 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 6.000,00 € festgesetzt (Berufung Klägerin 3.000,00 €; Berufung Beklagter 3.000,00 €).

Grünewald                                    Dr. Reinert                                   Haberkamp

Gerichtsart Vorinstanz: 
LG
Gerichtsort Vorinstanz: 
Koblenz
Datum Vorinstanz: 
22. Mai 2014
Aktenzeichen Vorinstanz: 
1 O 103/13

Oberlandesgericht Karlsruhe Urteil vom 11.3.2011, AZ: 14 U 186/10

OLG Karlsruhe zur Frage ob bei einer Bildveröffentlichung eine Gegendarstellung verlangt werden kann: Fotomontage als Tatsachenbehauptung
Amtliche Leitsätze: 
1. Auch Bildveröffentlichungen sind gegendarstellungsfähig, soweit durch sie eine Tatsachenbehauptung aufgestellt wird. 2. Der bloße Umstand, daß es sich bei einem veröffentlichten Bild um eine reine Fotomontage - im Sinne einer Zusammenstellung unverändert gebliebenen Bildmaterials - handelt, stellt noch keine zur Gegendarstellungsfähigkeit führende Tatsachenbehauptung dar.
Urteilstext: 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Offenburg vom 30. November 2010 - 2 O 415/10 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.

3. Beschluß: Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 20.000 EUR.

Gründe

 

I. 

Der Verfügungskläger (in der Folge: Kläger) ist ein bekannter Journalist und Moderator. Er wendet sich mit Antrag (und Hilfsantrag) auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung gegen die Veröffentlichung eines Bildes auf der Titelseite der von der Verfügungsbeklagten (in der Folge: Beklagte) verlegten Zeitschrift „n. w.“ Nr. 42 vom 15.10.2010. Auf dem Bild ist der Kläger neben seiner Frau T. abgebildet vor einem aus grünen Blättern zusammengesetzten Hintergrund - zwischen dem Kopf des Klägers und seiner Frau ist in kleiner Schrift wiedergegeben: „Glücklich verheiratet: TV-Moderator G. J. und Ehefrau T.“. Die bildliche Darstellung einschließlich des darunter stehenden, in großer Schrift dargestellten Textes

„G. J. & SEINE T.

Triumph & Tränen

Alles über sein geheimes

Privat-Leben“

nimmt etwas mehr als die Hälfte der Titelseite ein; neben einigen weiteren Abbildungen unterschiedlicher Art findet sich links neben der Darstellung des Ehepaars eine kleinere Abbildung mit zwei Personen und dem Text „F.s.. Quälende Sehnsucht! Bricht H. ihm das Herz?“.

Der Kläger hat unter Hinweis auf die Rechtslage den Abdruck einer Gegendarstellung begehrt, mit der er klarstellen will, daß es sich bei der Abbildung des Ehepaars J. um eine ohne sein Einvernehmen hergestellte Fotomontage handele.

Erstinstanzlich hat der Kläger beantragt,

1. den Erlass der nachfolgenden einstweiligen Verfügung:

Der Verfügungsbeklagten wird auferlegt, in dem gleichen Teil der Zeitschrift „n. w.“, in der der Artikel „TV-Liebling G. J. Triumph & Tränen! Alles über sein geheimes Privat-Leben“ erschienen ist, mit gleicher Schrift und unter Hervorhebung des Wortes „Gegendarstellung“ als Überschrift durch entsprechende drucktechnische Anordnung und Schriftgröße wie „Triumph & Tränen“ sowie der weitere Fließtext der Größe der Schrift der Worte „TV Liebling G. J.“ in der nächsten für den Druck noch nicht abgeschlossenen Nummer ohne Einschaltungen und Weglassungen die folgende Gegendarstellung zu veröffentlichen:

Gegendarstellung

Auf der Titelseite von „n. w.“ Nr. 42 vom 15. Oktober 2010 ist ein Foto abgebildet, welches mich und meine Frau vor grünen Blättern zeigt.

Hierzu stelle ich fest:

Das Foto ist eine ohne mein Einverständnis hergestellte Fotomontage. Ein Einzelfoto von mir und ein Einzelfoto von meiner Frau wurden auf einen Hintergrund mit grünen Blättern gesetzt.

P., 28. Oktober 2010-11-29

G. J. 

2. hilfsweise den Erlass der nachfolgenden einstweiligen Verfügung:

Der Verfügungsbeklagten wird auferlegt, in dem gleichen Teil der Zeitschrift „n. w.“, in der der Artikel „TV-Liebling G. J. Triumph & Tränen! Alles über sein geheimes Privat-Leben“ erschienen ist, mit gleicher Schrift und unter Hervorhebung des Wortes „Gegendarstellung“ als Überschrift durch entsprechende drucktechnische Anordnung und Schriftgröße wie „Triumph & Tränen“ sowie der weitere Fließtext der Größe der Schrift der Worte „TV Liebling G. J.“ in der nächsten für den Druck noch nicht abgeschlossenen Nummer ohne Einschaltungen und Weglassungen die folgende Gegendarstellung zu veröffentlichen:

Gegendarstellung

Auf der Titelseite von „n. w.“ Nr. 42 vom 15. Oktober 2010 ist ein Foto abgebildet, welches mich und meine Frau vor grünen Blättern zeigt.

Hierzu stelle ich fest:

Das Foto ist eine ohne mein Einverständnis hergestellte Fotomontage.

P., 28. Oktober 2010-11-29

G. J. 

Die Beklagte ist den Anträgen des Klägers entgegengetreten.

Wegen der vom Kläger verfolgten Ansprüche und des zugrundeliegenden Sachverhalts im einzelnen sowie wegen des Vorbringens der Parteien wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 S. 1 ZPO).

Das Landgericht hat die Anträge des Klägers auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Grundsätzlich könnten auch bildliche Darstellungen einen Gegendarstellungsanspruch auslösen, sofern darin Tatsachenbehauptungen enthalten sind. Im vorliegenden Fall sei die Gegendarstellung aber nur auf die Richtigstellung des Umstandes gerichtet, daß es sich bei der Abbildung nicht um eine echte einheitliche Fotoaufnahme handele, sondern um eine aus Einzelfotos hergestellte Montage. Die Art der Herstellung einer Abbildung an sich stelle indes keine gegendarstellungsfähige Tatsachenbehauptung dar.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger seine Anträge auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung weiter. Dadurch, daß zwei von öffentlichen Auftritten stammende Einzelfotos des Klägers und seiner Ehefrau vor einen Hintergrund mit grünen Blättern geklebt wurden, sei der Eindruck eines privaten Fotos in einem Garten o.ä. noch verstärkt worden. Kläger und Ehefrau seien in gleicher Größe abgebildet, es entstehe der Eindruck, als stehe die Ehefrau des Klägers schräg vor ihm. Der einheitliche Hintergrund mit grünen Blättern suggeriere, das Paar habe sich im Freien gemeinsam privat fotografieren lassen. Die Entscheidung des Landgerichts widerspreche diametral der Rechtsprechung des BVerfG in seiner Entscheidung vom 14.2.2005 - Ron Sommer. Die Einzelrichterin beachte auch nicht hinreichend, daß sich jedenfalls dem flüchtigen „Kioskleser“ die Natur der streitgegenständlichen Abbildung als Fotomontage nicht erschließe.

Der Kläger beantragt

Abänderung des angefochtenen Urteils und Erlaß einer einstweiligen Verfügung nach Maßgabe der im ersten Rechtszug gestellten Anträge.

Die Beklagte bittet um Zurückweisung der gegnerischen Berufung.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt und vertieft ihr Vorbringen aus dem ersten Rechtszug. Im Streitfall sei offensichtlich, daß die Gestaltung der Titelseite keinen realen Ausschnitt aus der Wirklichkeit darstelle.

Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens im Berufungsrechtszug wird auf den vorgetragenen Inhalt des Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Zutreffend ist allerdings der rechtliche Ausgangspunkt des Klägers, wonach sich der Gegendarstellungsanspruch auch gegen eine Bildveröffentlichung richten kann, wenn nämlich durch die Veröffentlichung des Bildes eine Tatsachenbehauptung „aufgestellt“ wird (Löffler/Sedelmeier, Presserecht, 5. Aufl., § 11 LPG Rdn. 111; Seitz/Schmidt, Der Gegendarstellungsanspruch, 4. Aufl., Kap. 6 Rdn. 78; Wanckel, Foto- und Bildrecht, 3. Aufl., Rdn. 291). Auch aus Fotomontagen können sich gegendarstellungsfähige Tatsachenbehauptungen ergeben, sofern nicht aus der Gestaltung der Fotomontage offensichtlich ist, daß es sich um eine Montage handelt, z.B. durch irreale Proportionen oder sichtbare Schnittkanten (Wanckel a.a.O. Rdn. 292; auch Seitz/Schmidt a.a.O.; s.a. OLG München, AfP 1976, 364: Auch bildliche Darstellungen können einen Gegendarstellungsanspruch auslösen, wenn in ihnen bestimmte Sachverhalte, Begebenheiten, Verhältnisse oder Zustände geschildert werden.).

1. Ob die Behauptung des Klägers zutrifft, daß die Abbildung beim Leser den Eindruck erwecke, es handele sich um ein im privaten Bereich des Klägers -etwa in seinem Garten- entstandenes Foto, kann dahinstehen. Denn die beantragte Gegendarstellung stellt keine Entgegnung (zu dieser Voraussetzung vgl Löffler/Sedelmeier a.a.O. § 11 LPG Rdn. 126) auf eine so verstandene Tatsachenaussage der Abbildung dar, worauf schon das Landgericht zutreffend hingewiesen hat. Die begehrte Gegendarstellung beschränkt sich vielmehr auf die Eigenart der Herstellung der Abbildung als Zusammensetzung aus Einzelbildern und wendet sich allein gegen den Eindruck einer einheitlichen Fotoaufnahme. Daß etwa die einzelnen Bestandteile oder die Abbildung als Ganzes nicht aus dem privaten Bereich des Klägers stammen, kommt in der Gegendarstellung gerade nicht zum Ausdruck.

2. Allein der Umstand, daß eine fotografische Abbildung nicht als ein einheitliches Foto, sondern durch Zusammensetzung mehrerer Einzelfotos entstanden ist, stellt für sich keine gegendarstellungsfähige Tatsachenbehauptung über den Abgebildeten dar, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat.

Zwar suggerieren fotografische Abbildungen Authentizität und schützt das Allgemeine Persönlichkeitsrecht auch vor der Verbreitung eines technisch manipulierten Bildes, das den Anschein erweckt, ein authentisches Abbild einer Person zu sein. Im Falle einer das Aussehen verändernden Bildmanipulation wird die in der Regel mitschwingende Tatsachenbehauptung über die Realität des Abgebildeten unzutreffend und können dem Abgebildeten deshalb Abwehransprüche zustehen (BVerfG NJW 2005, 3271). Ob dem Kläger unter diesem Gesichtspunkt im Streitfall z.B. ein Unterlassungsanspruch zustehen könnte, bedarf hier keiner Entscheidung. Der von ihm geltend gemachte Anspruch auf Gegendarstellung setzt jedenfalls voraus, daß die begehrte Gegendarstellung eine Entgegnung auf eine bestimmte, den Anspruchsteller betreffende Tatsachenaussage der Erstmitteilung sein muß (hM; BVerfG E 97, 125, 147 = NJW 1998, 1381, 1382/83; vgl Löffler/Sedelmeier a.a.O. § 11 LPG Rdn. 126; Seitz/Schmidt a.a.O. Kap. 5 Rdn. 153; Burkhardt a.a.O. Kap. 11 Rdn. 110), die sich in nennenswerter Weise auf sein Persönlichkeitsrecht auswirken können muß (BVerfG a.a.O. S. 148). Dies erfordert nach Auffassung des Senats eine Entgegnung auf eine Sachaussage der Erstmitteilung, die über die bloße Frage hinausgeht, ob die fotografische Abbildung als echte einheitliche Fotoaufnahme entstanden oder aus mehreren Fotos zusammengesetzt ist. Allerdings ist dabei zu beachten, daß eine Fotomontage häufig gerade infolge der Zusammensetzung der Abbildung bestimmte, über den Umstand der Montage hinausgehende und deshalb grundsätzlich gegendarstellungsfähige Tatsachenbehauptungen enthalten kann, so etwa im Fall des LG München (NJW 2004, 606) die mögliche Aussage, daß sich „die drei Protagonisten dieser Affäre nach deren Bekanntwerden einträchtig nebeneinander hätten fotografieren lassen" oder „daß sich die drei Personen schon früher kannten" (LG München a.a.O. S. 607). Auch im vorliegenden Fall ist eine Aussage der Abbildung dahin denkbar, daß der Kläger sich entgegen seiner sonstigen Haltung zusammen mit seiner Ehefrau im Privatbereich habe ablichten lassen. Solche Tatsachenaussagen einer Abbildung können bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen gegendarstellungsfähig sein. Demgegenüber besteht auf die vom Kläger begehrte Veröffentlichung der bloßen Gegenerklärung, es handele sich um eine zusammengesetzte Abbildung, ohne Entgegnung auf eine aus der Abbildung abzuleitende inhaltliche Tatsachenaussage kein Anspruch.

3. Selbst wenn man entgegen der Auffassung des Senats einen solchen Anspruch zubilligen wollte, würde es im vorliegenden Fall an einem berechtigten Interesse des Klägers (§ 11 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 BadWürttPrG) an der begehrten Veröffentlichung fehlen (vgl. allgemein zum fehlenden rechtlichen Interesse in den Fällen der Belanglosigkeit von Erstmitteilung oder Entgegnung Seitz/Schmidt a.a.O. Kap. 5 Rdn. 189 f; Burkhardt a.a.O. Kap. 11 Rdn. 53; BVerfG a.a.O.). Der Kläger beanstandet weder eine verfälschende oder gar nachteilige Art der Darstellung seiner Person durch die Abbildung noch eine Verletzung seiner Privatsphäre, sondern macht lediglich geltend, durch die Abbildung könne der Eindruck entstehen, daß er entgegen seiner grundsätzlichen Haltung erlaubt habe, daß die fotografische Abbildung in seinem Privatbereich gefertigt wurde. Dies läßt eine nennenswerte Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Klägers nicht erkennen, zumal wenn man berücksichtigt, daß der Kläger durchaus schon Ausnahmen gemacht und sich zur Anfertigung und Veröffentlichung von Fotografien mit privatem Einschlag, wie etwa die auf seinem Weingut gefertigte Fotostrecke, bereitgefunden hat.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Das Urteil ist rechtskräftig (§ 542 Abs. 2 S. 1 ZPO).

Gerichtsart Vorinstanz: 
LG
Gerichtsort Vorinstanz: 
Offenburg
Datum Vorinstanz: 
30. November 2010
Aktenzeichen Vorinstanz: 
2 O 415/10

Hanseatisches Oberlandesgericht, Urteil vom 04.09.2012, AZ: 7 U 56/11

OLG Hamburg zur Verletzung des Rechts am eigenen Bild und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts: Presseveröffentlichung eines manipulierten Bildes
Urteilstext: 

 

Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg 7. Zivilsenat, Urteil vom 04.09.2012, 7 U 56/11

§ 823 Abs 1 BGB, § 1004 Abs 1 S 2 BGB, § 22 S 1 KunstUrhG, § 23 Abs 2 KunstUrhG

Verfahrensgang

vorgehend LG Hamburg, 27. Mai 2011, Az: 324 O 648/10, Urteil
 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 27.05.2011, Az. 324 O 648/10, wird zurückgewiesen.

 

2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

 

3. Das Urteil ist hinsichtlich des Verbotsausspruchs gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000 Euro, hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Gründe

 

I.

1

Mit der Berufung wendet sich die Beklagte gegen die Verurteilung, es zu unterlassen, das Titelbild der Zeitschrift „Frau im Spiegel“ Nr. ... vom ... September ... erneut zu veröffentlichen. Abgebildet sind die Klägerin und ihr Ehemann auf deren Weingut zwischen Weinreben. Anlass zur Klage ist eine auf Seiten der Beklagten am Foto vorgenommene Farbveränderung, die die Klägerin stärker geschminkt erscheinen lässt als auf dem unbearbeiteten Foto, nämlich mit einem auffälligen hellblauen Lidschatten auf den Ober- und Unterlidern (Anl. K 1, K 8, B 1).

2

Für die Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.

 

3

Gegen das ihr am 31. Mai 2011 zugestellte Urteil des Landgerichts hat die Beklagte am 9. Juni 2011 Berufung eingelegt und eine Berufungsbegründung vor Ablauf der verlängerten Begründungsfrist eingereicht.

 

4

Die Beklagte beruft sich auf eine von der Klägerin erteilte Einwilligung in die Veröffentlichung der Fotografie und rügt im Wesentlichen, dass das Landgericht verkannt habe, dass die am Foto vorgenommenen Helligkeits- und Farbanpassungen zur Veröffentlichung auf der Titelseite reproduktionstechnisch erforderlich und für den Aussagegehalt unbedeutend gewesen seien. Maßstab für die reproduktionstechnische Erforderlichkeit sei die Angleichung der Fotografie an das gesamte Erscheinungsbild des Titels unter Einbeziehung des für den Druck verwendeten Hochglanzpapiers. Für die zu treffenden Feststellungen habe sie einen sachverständigen Zeugen und ein Sachverständigengutachten angeboten.

5

Die Beklagte führt ferner gegen den streitgegenständlichen Unterlassungsanspruch an, dass die geringfügige Veränderung der Fotografie durch die Bildbearbeitung nur wahrgenommen werde, wenn das Originalfoto zu einem unmittelbaren Vergleich herangezogen werde. Auf Grund dieser Geringfügigkeit sei eine nennenswerte Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin nicht eingetreten. Eine Abwägung der widerstreitenden Grundrechte führe zu einem Vorrang der Pressefreiheit.

 

6

Die Beklagte beantragt,

 

7

das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

 

8

Die Klägerin beantragt,

 

9

die Berufung zurückzuweisen.

 

10

Für den Vortrag der Parteien im Berufungsverfahren wird ergänzend auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

 

II.

11

Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.

 

12

Das Landgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben und den streitgegenständlichen Unterlassungsanspruch analog §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB in Verbindung mit §§ 22, 23 Abs. 2 KUG bejaht.

 

13

1. Im angefochtenen Urteil wird zutreffend festgestellt, dass das beanstandete Bildnis der Klägerin ohne deren Einwilligung veröffentlicht worden ist (§ 22 S. 1 KUG), weil die bei der Aufnahme des Fotos (das zu Zwecken der Veröffentlichung angefertigt wurde) erteilte Einwilligung die nachträgliche Bildbearbeitung nicht deckte. Auf der Grundlage der vom Landgericht zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 14. Februar 2005, 1 BvR 240/04, AfP 2005, 171ff, 173) kann dahinstehen, ob etwa „…rein reproduktionstechnisch bedingte … Veränderungen …“ die Einwilligung unberührt lassen würden; denn dies gilt jedenfalls nicht für Veränderungen, die den Aussagegehalt des Bildnisses nicht nur unbedeutend beeinflussen und zu einer unzutreffenden Bildaussage führen.

14

Auch nach Auffassung des Senats hat die auf Seiten der Beklagten vorgenommene Bildbearbeitung indes die Bildaussage nicht nur unbedeutend verändert, da die Klägerin auf dem veröffentlichten Foto stärker geschminkt erscheint, als es in der abgebildeten Situation der Realität entsprach. Die Farbveränderung erweckt insbesondere den unzutreffenden Eindruck, dass die Klägerin für das auf dem Weingut aufgenommene Foto ihre Ober- und Unterlider mit einem auffälligen hellblauen, glänzenden Lidschatten geschminkt hatte. Tatsächlich hatte sie zwar ihre Augen geschminkt, jedoch wirkte ihr Makeup wesentlich dezenter und war ihr äußerer Eindruck deshalb natürlicher. Ergänzend wird insoweit auf die überzeugenden Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil verwiesen, um Wiederholungen zu vermeiden.

15

2. Es kann zwar angenommen werden, dass die Abbildung im Hinblick darauf, dass der Ehemann der Klägerin ein Weingut erworben hatte, als Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte ohne eine Einwilligung verbreitet werden durfte (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG); dennoch stuft der Senat die erfolgte Veröffentlichung nicht als rechtmäßig ein, weil sie ein berechtigtes Interesse der Klägerin verletzt (§ 23 Abs. 2 KUG). Diese Rechtsverletzung ist in der durch die Bildbearbeitung verursachten unzutreffenden Bildaussage begründet, die nach den vorstehenden Ausführungen (zu Ziffer 1.) nicht als nur unbedeutende Veränderung gelten kann.

16

Auch eine Abwägung der grundrechtlich geschützten Interessen der Parteien, einerseits der Pressefreiheit und Meinungsfreiheit der Beklagten, andererseits des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin, führt nicht zu einem anderen Ergebnis.

17

Die Pressefreiheit und insbesondere die Freiheit der redaktionellen Gestaltung haben hier schon deshalb geringere Bedeutung, weil eine unrichtige Information, die der verfassungsrechtlich vorausgesetzten Möglichkeit zutreffender Meinungsbildung nicht dienen kann, unter dem Blickwinkel der Meinungsfreiheit kein schützenswertes Gut ist (vgl. BVerfG a.a.O. S. 173 für die Verwendung von fotografischen Abbildungen in satirischen Kontexten). Diese Einschränkung gilt auch für Manipulationen von Fotografien, die zu einer unzutreffenden Bildaussage führen, auch wenn sie im Einzelfall dazu dienen, unter bildredaktionellen und fotografischen Gesichtspunkten die Qualität der Abbildung zu verbessern (vgl. BVerfG a.a.O. S. 173). Während die Klägerin nicht damit rechnen musste, dass ihre Abbildung vor der Veröffentlichung so verändert würde, dass ihre Augen – wie auch immer dies technisch bewirkt wurde - mit auffälligem Lidschatten versehen wurden und sie stärker geschminkt erschien als in der Realität der abgebildeten Situation, lag es für die mit der Manipulation befassten Bildredaktion auf der Hand, dass dadurch eine nicht unbedeutende Veränderung der Bildaussage eintrat. Bei Nutzung moderner elektronischer Kommunikationsmittel hätte es im Übrigen nur wenig Mühe und Zeit gekostet, die Klägerin um ihre Einwilligung in die Bildveränderungen zu bitten. Bei einer Versagung der Einwilligung hätte noch die Möglichkeit bestanden, dass nicht aufgehellte Bild zu benutzen und es entweder im Heftinneren abzudrucken und auf das Titelblatt eine Abbildung nur des Ehemannes der Klägerin zu drucken oder das beanstandete Foto in der dunkleren und weniger scharfen Originalfassung.

18

Nach allem führt die Interessenabwägung wegen der - auch mit Rücksicht auf die angeführten redaktionellen Alternativen - geringeren Beeinträchtigung der Pressefreiheit zu einem Vorrang des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin.

 

19

Abschließend wird auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils ergänzend Bezug genommen.

 

20

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

21

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1, 2 ZPO.

 

22

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO nicht erfüllt sind.

 

Gerichtsart Vorinstanz: 
LG
Gerichtsort Vorinstanz: 
Hamburg
Datum Vorinstanz: 
27. Mai 2011
Aktenzeichen Vorinstanz: 
324 O 648/10

Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 13.04.2014, AZ: C‑131/12 - Google

EuGH zum Vergessenwerden im Internet - GOOGLE
Urteilstext: 

 

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)

 

13. Mai 2014(*)

„Personenbezogene Daten – Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung solcher Daten – Richtlinie 95/46/EG – Art. 2, 4, 12 und 14 – Sachlicher und räumlicher Anwendungsbereich – Internetsuchmaschinen – Verarbeitung von Daten, die in den Seiten einer Website enthalten sind – Suche, Indexierung und Speicherung solcher Daten – Verantwortlichkeit des Suchmaschinenbetreibers – Niederlassung im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats – Umfang der Verpflichtungen des Suchmaschinenbetreibers und der Rechte der betroffenen Person – Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Art. 7 und 8“

In der Rechtssache C‑131/12

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Audiencia Nacional (Spanien) mit Entscheidung vom 27. Februar 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 9. März 2012, in dem Verfahren

Google Spain SL,

Google Inc.

gegen

Agencia Española de Protección de Datos (AEPD),

Mario Costeja González

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, des Vizepräsidenten K. Lenaerts, der Kammerpräsidenten M. Ilešič (Berichterstatter), L. Bay Larsen, T. von Danwitz und M. Safjan, der Richter J. Malenovský, E. Levits, A. Ó Caoimh und A. Arabadjiev, der Richterinnen M. Berger und A. Prechal sowie des Richters E. Jarašiūnas,

Generalanwalt: N. Jääskinen,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 26. Februar 2013,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der Google Spain SL und der Google Inc., vertreten durch F. González Díaz, J. Baño Fos und B. Holles, abogados,

–        von Herrn Costeja González, vertreten durch J. Muñoz Rodríguez, abogado,

–        der spanischen Regierung, vertreten durch A. Rubio González als Bevollmächtigten,

–        der griechischen Regierung, vertreten durch E.‑M. Mamouna und K. Boskovits als Bevollmächtigte,

–        der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von P. Gentili, avvocato dello Stato,

–        der österreichischen Regierung, vertreten durch G. Kunnert und C. Pesendorfer als Bevollmächtigte,

–        der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna und M. Szpunar als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch I. Martínez del Peral und B. Martenczuk als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 25. Juni 2013

 

folgendes

 

Urteil

 

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 Buchst. b und d, Art. 4 Abs. 1 Buchst. a und c, Art. 12 Buchst. b und Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. L 281, S. 31) sowie von Art. 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta).

 

2        Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Google Spain SL (im Folgenden: Google Spain) und der Google Inc. auf der einen Seite und der Agencia Española de Protección de Datos (AEPD) (spanische Datenschutzagentur, im Folgenden: AEPD) und Herrn Costeja González auf der anderen Seite über eine Entscheidung der AEPD, mit der einer von Herrn Costeja González gegen die beiden genannten Gesellschaften erhobenen Beschwerde stattgegeben und Google Inc. angewiesen wurde, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um Herrn Costeja González betreffende personenbezogene Daten aus ihrem Index zu entfernen und den Zugang zu diesen Daten in Zukunft zu verhindern.

 

 Rechtlicher Rahmen

 

 Unionsrecht

 

3        Gegenstand der Richtlinie 95/46 ist nach ihrem Art. 1 der Schutz der Grundrechte und Grundfreiheiten und insbesondere der Schutz der Privatsphäre natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten sowie die Beseitigung der Hemmnisse für den Verkehr personenbezogener Daten; in den Erwägungsgründen 2, 10, 18 bis 20 und 25 der Richtlinie heißt es:

„(2)      Die Datenverarbeitungssysteme stehen im Dienste des Menschen; sie haben, ungeachtet der Staatsangehörigkeit oder des Wohnorts der natürlichen Personen, deren Grundrechte und ‑freiheiten und insbesondere deren Privatsphäre zu achten und … zum Wohlergehen der Menschen beizutragen.

(10)      Gegenstand der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften über die Verarbeitung personenbezogener Daten ist die Gewährleistung der Achtung der Grundrechte und ‑freiheiten, insbesondere des auch in Artikel 8 der [am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten] Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten und in den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts anerkannten Rechts auf die Privatsphäre. Die Angleichung dieser Rechtsvorschriften darf deshalb nicht zu einer Verringerung des durch diese Rechtsvorschriften garantierten Schutzes führen, sondern muss im Gegenteil darauf abzielen, in der Gemeinschaft ein hohes Schutzniveau sicherzustellen.

(18)      Um zu vermeiden, dass einer Person der gemäß dieser Richtlinie gewährleistete Schutz vorenthalten wird, müssen auf jede in der Gemeinschaft erfolgte Verarbeitung personenbezogener Daten die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats angewandt werden. Es ist angebracht, auf die Verarbeitung, die von einer Person, die dem in dem Mitgliedstaat niedergelassenen für die Verarbeitung Verantwortlichen unterstellt ist, vorgenommen werden, die Rechtsvorschriften dieses Staates anzuwenden.

(19)      Eine Niederlassung im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats setzt die effektive und tatsächliche Ausübung einer Tätigkeit mittels einer festen Einrichtung voraus. Die Rechtsform einer solchen Niederlassung, die eine Agentur oder eine Zweigstelle sein kann, ist in dieser Hinsicht nicht maßgeblich. Wenn der Verantwortliche im Hoheitsgebiet mehrerer Mitgliedstaaten niedergelassen ist, insbesondere mit einer Filiale, muss er vor allem zu Vermeidung von Umgehungen sicherstellen, dass jede dieser Niederlassungen die Verpflichtungen einhält, die im jeweiligen einzelstaatlichen Recht vorgesehen sind, das auf ihre jeweiligen Tätigkeiten anwendbar ist.

(20)      Die Niederlassung des für die Verarbeitung Verantwortlichen in einem Drittland darf dem Schutz der Personen gemäß dieser Richtlinie nicht entgegenstehen. In diesem Fall sind die Verarbeitungen dem Recht des Mitgliedstaats zu unterwerfen, in dem sich die für die betreffenden Verarbeitungen verwendeten Mittel befinden, und Vorkehrungen zu treffen, um sicherzustellen, dass die in dieser Richtlinie vorgesehenen Rechte und Pflichten tatsächlich eingehalten werden.

(25)      Die Schutzprinzipien finden zum einen ihren Niederschlag in den Pflichten, die den [für die Verarbeitung verantwortlichen] Personen … obliegen; diese Pflichten betreffen insbesondere die Datenqualität, die technische Sicherheit, die Meldung bei der Kontrollstelle und die Voraussetzungen, unter denen eine Verarbeitung vorgenommen werden kann. Zum anderen kommen sie zum Ausdruck in den Rechten der Personen, deren Daten Gegenstand von Verarbeitungen sind, über diese informiert zu werden, Zugang zu den Daten zu erhalten, ihre Berichtigung verlangen bzw. unter gewissen Voraussetzungen Widerspruch gegen die Verarbeitung einlegen zu können.“

4        Nach Art. 2 der Richtlinie 95/46 „[bezeichnet] [i]m Sinne dieser Richtlinie … der Ausdruck

a)      ‚personenbezogene Daten‘ alle Informationen über eine bestimmte oder bestimmbare natürliche Person (‚betroffene Person‘); als bestimmbar wird eine Person angesehen, die direkt oder indirekt identifiziert werden kann, insbesondere durch Zuordnung zu einer Kennnummer oder zu einem oder mehreren spezifischen Elementen, die Ausdruck ihrer physischen, physiologischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität sind;

b)      ‚Verarbeitung personenbezogener Daten‘ (‚Verarbeitung‘) jeden mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführten Vorgang oder jede Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten wie das Erheben, das Speichern, die Organisation, die Aufbewahrung, die Anpassung oder Veränderung, das Auslesen, das Abfragen, die Benutzung, die Weitergabe durch Übermittlung, Verbreitung oder jede andere Form der Bereitstellung, die Kombination oder die Verknüpfung sowie das Sperren, Löschen oder Vernichten;

d)      ‚für die Verarbeitung Verantwortlicher‘ die natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder jede andere Stelle, die allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet. Sind die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten in einzelstaatlichen oder gemeinschaftlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften festgelegt, so können der für die Verarbeitung Verantwortliche bzw. die spezifischen Kriterien für seine Benennung durch einzelstaatliche oder gemeinschaftliche Rechtsvorschriften bestimmt werden;

…“

5        Art. 3 („Anwendungsbereich“) Abs. 1 der Richtlinie 95/46 lautet:

„Diese Richtlinie gilt für die ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten sowie für die nicht automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten, die in einer Datei gespeichert sind oder gespeichert werden sollen.“

6        Art. 4 („Anwendbares einzelstaatliches Recht“) der Richtlinie 95/46 lautet:

„(1)      Jeder Mitgliedstaat wendet die Vorschriften, die er zur Umsetzung dieser Richtlinie erlässt, auf alle Verarbeitungen personenbezogener Daten an,

a)      die im Rahmen der Tätigkeiten einer Niederlassung ausgeführt werden, die der für die Verarbeitung Verantwortliche im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats besitzt. Wenn der Verantwortliche eine Niederlassung im Hoheitsgebiet mehrerer Mitgliedstaaten besitzt, ergreift er die notwendigen Maßnahmen, damit jede dieser Niederlassungen die im jeweils anwendbaren einzelstaatlichen Recht festgelegten Verpflichtungen einhält;

b)      die von einem für die Verarbeitung Verantwortlichen ausgeführt werden, der nicht in seinem Hoheitsgebiet, aber an einem Ort niedergelassen ist, an dem das einzelstaatliche Recht dieses Mitgliedstaats gemäß dem internationalen öffentlichen Recht Anwendung findet;

c)      die von einem für die Verarbeitung Verantwortlichen ausgeführt werden, der nicht im Gebiet der Gemeinschaft niedergelassen ist und zum Zwecke der Verarbeitung personenbezogener Daten auf automatisierte oder nicht automatisierte Mittel zurückgreift, die im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats belegen sind, es sei denn, dass diese Mittel nur zum Zweck der Durchfuhr durch das Gebiet der Europäischen Gemeinschaft verwendet werden.

(2)      In dem in Absatz 1 Buchstabe c) genannten Fall hat der für die Verarbeitung Verantwortliche einen im Hoheitsgebiet des genannten Mitgliedstaats ansässigen Vertreter zu benennen, unbeschadet der Möglichkeit eines Vorgehens gegen den für die Verarbeitung Verantwortlichen selbst.“

7        Art. 6 in Kapitel II Abschnitt I („Grundsätze in Bezug auf die Qualität der Daten“) der Richtlinie 95/46 lautet:

„(1)      Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass personenbezogene Daten

a)      nach Treu und Glauben und auf rechtmäßige Weise verarbeitet werden;

b)      für festgelegte eindeutige und rechtmäßige Zwecke erhoben und nicht in einer mit diesen Zweckbestimmungen nicht zu vereinbarenden Weise weiterverarbeitet werden. Die Weiterverarbeitung von Daten zu historischen, statistischen oder wissenschaftlichen Zwecken ist im Allgemeinen nicht als unvereinbar mit den Zwecken der vorausgegangenen Datenerhebung anzusehen, sofern die Mitgliedstaaten geeignete Garantien vorsehen;

c)      den Zwecken entsprechen, für die sie erhoben und/oder weiterverarbeitet werden, dafür erheblich sind und nicht darüber hinausgehen;

d)      sachlich richtig und, wenn nötig, auf den neuesten Stand gebracht sind; es sind alle angemessenen Maßnahmen zu treffen, damit im Hinblick auf die Zwecke, für die sie erhoben oder weiterverarbeitet werden, nichtzutreffende oder unvollständige Daten gelöscht oder berichtigt werden;

e)      nicht länger, als es für die Realisierung der Zwecke, für die sie erhoben oder weiterverarbeitet werden, erforderlich ist, in einer Form aufbewahrt werden, die die Identifizierung der betroffenen Personen ermöglicht. Die Mitgliedstaaten sehen geeignete Garantien für personenbezogene Daten vor, die über die vorgenannte Dauer hinaus für historische, statistische oder wissenschaftliche Zwecke aufbewahrt werden.

(2)      Der für die Verarbeitung Verantwortliche hat für die Einhaltung des Absatzes 1 zu sorgen.“

8        Art. 7 in Kapitel II Abschnitt II („Grundsätze in Bezug auf die Zulässigkeit der Verarbeitung von Daten“) der Richtlinie 95/46 bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten lediglich erfolgen darf, wenn eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt ist:

f)      die Verarbeitung ist erforderlich zur Verwirklichung des berechtigten Interesses, das von dem für die Verarbeitung Verantwortlichen oder von dem bzw. den Dritten wahrgenommen wird, denen die Daten übermittelt werden, sofern nicht das Interesse oder die Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die gemäß Artikel 1 Absatz 1 geschützt sind, überwie[g]en.“

9        Art. 9 („Verarbeitung personenbezogener Daten und Meinungsfreiheit“) der Richtlinie 95/46 lautet:

„Die Mitgliedstaaten sehen für die Verarbeitung personenbezogener Daten, die allein zu journalistischen, künstlerischen oder literarischen Zwecken erfolgt, Abweichungen und Ausnahmen von diesem Kapitel sowie von den Kapiteln IV und VI nur insofern vor, als sich dies als notwendig erweist, um das Recht auf Privatsphäre mit den für die Freiheit der Meinungsäußerung geltenden Vorschriften in Einklang zu bringen.“

10      Art. 12 („Auskunftsrecht“) der Richtlinie 96/46 bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten garantieren jeder betroffenen Person das Recht, vom für die Verarbeitung Verantwortlichen Folgendes zu erhalten:

b)      je nach Fall die Berichtigung, Löschung oder Sperrung von Daten, deren Verarbeitung nicht den Bestimmungen dieser Richtlinie entspricht, insbesondere wenn diese Daten unvollständig oder unrichtig sind;

…“

11      Art. 14 („Widerspruchsrecht der betroffenen Person“) der Richtlinie 95/46 bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten erkennen das Recht der betroffenen Person an,

a)      zumindest in den Fällen von Artikel 7 Buchstaben e) und f) jederzeit aus überwiegenden, schutzwürdigen, sich aus ihrer besonderen Situation ergebenden Gründen dagegen Widerspruch einlegen zu können, dass sie betreffende Daten verarbeitet werden; dies gilt nicht bei einer im einzelstaatlichen Recht vorgesehenen entgegenstehenden Bestimmung. Im Fall eines berechtigten Widerspruchs kann sich die vom für die Verarbeitung Verantwortlichen vorgenommene Verarbeitung nicht mehr auf diese Daten beziehen;

…“

12      Art. 28 („Kontrollstelle“) der Richtlinie 95/46 bestimmt:

„(1)      Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass eine oder mehrere öffentliche Stellen beauftragt werden, die Anwendung der von den Mitgliedstaaten zur Umsetzung dieser Richtlinie erlassenen einzelstaatlichen Vorschriften in ihrem Hoheitsgebiet zu überwachen.

(3)      Jede Kontrollstelle verfügt insbesondere über:

–        Untersuchungsbefugnisse, wie das Recht auf Zugang zu Daten, die Gegenstand von Verarbeitungen sind, und das Recht auf Einholung aller für die Erfüllung ihres Kontrollauftrags erforderlichen Informationen;

–        wirksame Einwirkungsbefugnisse, wie beispielsweise … die Befugnis, die Sperrung, Löschung oder Vernichtung von Daten oder das vorläufige oder endgültige Verbot einer Verarbeitung anzuordnen …

–        …

Gegen beschwerende Entscheidungen der Kontrollstelle steht der Rechtsweg offen.

(4)      Jede Person oder ein sie vertretender Verband kann sich zum Schutz der die Person betreffenden Rechte und Freiheiten bei der Verarbeitung personenbezogener Daten an jede Kontrollstelle mit einer Eingabe wenden. Die betroffene Person ist darüber zu informieren, wie mit der Eingabe verfahren wurde.

(6)      Jede Kontrollstelle ist im Hoheitsgebiet ihres Mitgliedstaats für die Ausübung der ihr gemäß Absatz 3 übertragenen Befugnisse zuständig, unabhängig vom einzelstaatlichen Recht, das auf die jeweilige Verarbeitung anwendbar ist. Jede Kontrollstelle kann von einer Kontrollstelle eines anderen Mitgliedstaats um die Ausübung ihrer Befugnisse ersucht werden.

 

Die Kontrollstellen sorgen für die zur Erfüllung ihrer Kontrollaufgaben notwendige gegenseitige Zusammenarbeit, insbesondere durch den Austausch sachdienlicher Informationen.

 

…“

 

 Spanisches Recht

 

13      Die Richtlinie 95/46 wurde im spanischen Recht durch die Ley Orgánica 15/1999 de Protección de Datos de Carácter Personal (Ley Orgánica zum Schutz personenbezogener Daten) vom 13. Dezember 1999 (BOE Nr. 298 vom 14. Dezember 1999, S. 43088) umgesetzt.

 

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

 

14      Herr Costeja González, der die spanische Staatsangehörigkeit besitzt und seinen Wohnsitz in Spanien hat, erhob am 5. März 2010 bei der AEPD gegen die La Vanguardia Ediciones SL, die Herausgeberin einer insbesondere in Katalonien (Spanien) weitverbreiteten Tageszeitung (im Folgenden: La Vanguardia), sowie gegen Google Spain und Google Inc. eine Beschwerde, der Folgendes zugrunde lag: Bei Eingabe seines Namens in die Suchmaschine des Google-Konzerns (im Folgenden: Google Search) wurden den Internetnutzern Links zu zwei Seiten der Tageszeitung La Vanguardia vom 19. Januar bzw. 9. März 1998 angezeigt, die eine Anzeige enthielten, in der unter Nennung des Namens von Herrn Costeja González auf die Versteigerung eines Grundstücks im Zusammenhang mit einer wegen Forderungen der Sozialversicherung erfolgten Pfändung hingewiesen wurde.

 

15      Herr Costeja González beantragte, La Vanguardia anzuweisen, entweder die genannten Seiten zu löschen oder zu ändern, so dass die ihn betreffenden personenbezogen Daten dort nicht mehr angezeigt würden, oder zum Schutz der Daten von bestimmten, von den Suchmaschinen zur Verfügung gestellten technischen Möglichkeiten Gebrauch zu machen. Er beantragte ferner, Google Spain oder Google Inc. anzuweisen, ihn betreffende personenbezogene Daten zu löschen oder zu verbergen, so dass diese weder in den Suchergebnissen noch in Links zu La Vanguardia erschienen. Herr Costeja González behauptete in diesem Zusammenhang, dass die Pfändung, von der er betroffen gewesen sei, seit Jahren vollständig erledigt sei und keine Erwähnung mehr verdiene.

 

16      Mit Entscheidung vom 30. Juli 2010 wies die AEPD die Beschwerde, soweit sie sich gegen La Vanguardia richtete, mit der Begründung zurück, die Veröffentlichung der betreffenden Informationen durch diese Gesellschaft sei rechtlich gerechtfertigt gewesen, da sie auf Anordnung des Arbeits- und Sozialministeriums und mit dem Ziel einer höchstmöglichen Publizität der Zwangsversteigerung und somit einer höchstmöglichen Zahl an Bietern erfolgt sei.

 

17      Soweit sie sich gegen Google Spain und Google Inc. richtete, wurde der Beschwerde hingegen stattgegeben. Die AEPD begründete dies damit, dass Suchmaschinenbetreiber eine Datenverarbeitung vornähmen, für die sie verantwortlich seien, und als Mittler der Informationsgesellschaft fungierten; sie unterlägen deshalb den Datenschutzvorschriften. Die AEPD sei befugt, gegenüber Suchmaschinenbetreibern die Entfernung der Daten und das Verbot des Zugangs zu bestimmten Daten anzuordnen, wenn durch das Aufspüren und die Verbreitung der Daten das Grundrecht auf Datenschutz und die Würde der betroffenen Personen im weiteren Sinne, was auch den bloßen Willen der betroffenen Person umfasse, dass Dritte keine Kenntnis von diesen Daten hätten, beeinträchtigt werden könnten. Diese Verpflichtung könne unmittelbar die Suchmaschinenbetreiber treffen, ohne dass die Daten oder Informationen auf der betreffenden Website entfernt werden müssten, insbesondere wenn die Beibehaltung der Informationen auf der Website durch eine Gesetzesvorschrift gerechtfertigt sei.

 

18      Gegen diese Entscheidung haben Google Spain und Google Inc. bei der Audiencia Nacional zwei gesonderte Klagen erhoben; die Audiencia Nacional hat die beiden Verfahren verbunden.

 

19      Die Audiencia Nacional führt in der Vorlageentscheidung aus, in den beiden Verfahren stelle sich die Frage, welche Verpflichtungen die Suchmaschinenbetreiber hinsichtlich des Schutzes personenbezogener Daten von betroffenen Personen träfen, die nicht wollten, dass bestimmte auf Websites Dritter veröffentlichte Informationen, die sie betreffende personenbezogene Daten enthielten, mit denen die Informationen ihnen zugeordnet werden könnten, lokalisiert, indexiert und den Internetnutzern unbegrenzt zur Verfügung gestellt würden. Die Antwort auf diese Frage hänge davon ab, wie die Richtlinie 95/46 im Kontext solcher Technologien, die nach ihrer Bekanntmachung aufgekommen seien, auszulegen sei.

 

20      Die Audiencia Nacional hat daher das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

 

1.      Zum räumlichen Anwendungsbereich der Richtlinie 95/46 und somit der spanischen Rechtsvorschriften über den Schutz personenbezogener Daten:

 

a)      Besteht eine „Niederlassung“ im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 95/46, wenn eine oder mehrere der nachstehenden Fallgestaltungen vorliegen:

 

–      wenn das die Suchmaschine betreibende Unternehmen in einem Mitgliedstaat für die Förderung des Verkaufs der Werbeflächen der Suchmaschine und diesen Verkauf selbst eine Zweigniederlassung oder Tochtergesellschaft gründet, deren Tätigkeit auf die Einwohner dieses Staats ausgerichtet ist,

 

oder

 

–      wenn die Muttergesellschaft eine in diesem Mitgliedstaat ansässige Tochtergesellschaft als ihre Vertreterin und für zwei konkrete Dateien mit den Daten ihrer Werbekunden als für die Verarbeitung Verantwortliche benennt

 

oder

 

–      wenn die in einem Mitgliedstaat ansässige Niederlassung oder Tochtergesellschaft Beschwerden und Anordnungen, die von den betroffenen Personen bzw. den zuständigen Behörden an sie gerichtet werden, um zu erwirken, dass das Recht auf Schutz personenbezogner Daten beachtet wird, an die außerhalb der Europäischen Union ansässige Muttergesellschaft weiterleitet, auch wenn diese Zusammenarbeit freiwillig erfolgt?

 

b)      Ist Art. 4 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 95/46 dahin auszulegen, dass ein „Rückgriff“ auf „Mittel, die im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats belegen sind“, gegeben ist,

 

–      wenn eine Suchmaschine „Webcrawler“ oder Indexierungsbots einsetzt, um Informationen auf Websites, die auf Servern in diesem Mitgliedstaat gehostet sind, zu lokalisieren und zu indexieren,

 

oder

 

–      eine länderspezifische Domain eines Mitgliedstaats nutzt und Suche und Suchergebnisse an der Sprache dieses Mitgliedstaats ausrichtet?

 

c)      Kann die vorübergehende Speicherung der durch die Internetsuchmaschinen indexierten Informationen als Rückgriff auf Mittel im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 95/46 betrachtet werden? Wenn ja: Kann davon ausgegangen werden, dass dieses Anknüpfungskriterium erfüllt ist, wenn sich das Unternehmen aus Gründen der Wettbewerbsfähigkeit weigert, den Ort offenzulegen, an dem es die Indexe speichert?

 

d)      Unabhängig von der Antwort auf die vorstehenden Fragen und insbesondere für den Fall, dass der Gerichtshof der Auffassung sein sollte, dass die in Art. 4 der Richtlinie vorgesehenen Anknüpfungskriterien nicht erfüllt sind:

 

Ist die Richtlinie 95/46 im Licht des Art. 8 der Charta in dem Mitgliedstaat anzuwenden, in dem sich der Schwerpunkt des Konflikts befindet und die Rechte der Unionsbürger am wirksamsten geschützt werden können?

 

2.      In Bezug auf die Tätigkeit der Suchmaschinen als Anbieter von Inhalten unter dem Blickwinkel der Richtlinie 95/46:

 

a)      Zur Tätigkeit von Google Search als Anbieterin von Inhalten, die darin besteht, von Dritten ins Internet gestellte oder dort veröffentlichte Informationen zu finden, automatisch zu indexieren, vorübergehend zu speichern und schließlich den Internetnutzern in einer bestimmten Rangfolge zur Verfügung zu stellen:

 

Fällt, wenn die genannten Informationen personenbezogene Daten Dritter enthalten, eine solche Tätigkeit unter den Begriff „Verarbeitung personenbezogener Daten“ im Sinne von Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 95/46?

 

b)      Bei Bejahung der vorstehenden Frage, ebenfalls im Zusammenhang mit einer Tätigkeit wie der zuvor beschriebenen:

 

Ist Art. 2 Buchst. d der Richtlinie 95/46 dahin auszulegen, dass das Unternehmen, das Google Search betreibt, hinsichtlich der auf den von ihr indexierten Websites befindlichen Daten der „für die Verarbeitung Verantwortliche“ ist?

 

c)      Bei Bejahung der vorstehenden Frage:

 

Kann die AEPD zum Schutz der durch Art. 12 Buchst. b und Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 95/46 gewährleisteten Rechte Google Search unmittelbar anweisen, von Dritten veröffentlichte Informationen aus ihren Indexen zu entfernen, ohne sich zuvor oder gleichzeitig an den Inhaber der Website, die diese Informationen enthält, wenden zu müssen?

 

d)      Bei Bejahung der vorstehenden Frage:

 

Entfällt die Verpflichtung der Suchmaschinenbetreiber zum Schutz der genannten Rechte, wenn die in den personenbezogenen Daten enthaltenen Informationen von Dritten rechtmäßig veröffentlicht worden sind und sich nach wie vor auf der ursprünglichen Website befinden?

 

3.      Zur Tragweite des Rechts auf Löschung und/oder auf Widerspruch gegen die Verarbeitung die eigene Person betreffender Daten in Verbindung mit dem Recht auf Vergessenwerden:

 

Sind das Recht auf Löschung und Sperrung personenbezogener Daten gemäß Art. 12 Buchst. b der Richtlinie 95/46 und das Recht auf Widerspruch gegen eine Verarbeitung gemäß Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 95/46 dahin auszulegen, dass sich die betroffene Person an die Suchmaschinenbetreiber wenden kann, um die Indexierung auf sie bezogener Informationen zu verhindern, die auf Websites Dritter veröffentlicht sind, und sie sich hierzu auf ihren Willen berufen kann, dass sie den Internetnutzern nicht bekannt werden, wenn sie der Ansicht ist, dass sie ihr schaden können, oder sie sich wünscht, dass sie vergessen werden, selbst wenn es sich um Informationen handelt, die von Dritten rechtmäßig veröffentlicht wurden?

 

 Zu den Vorlagefragen

 

 Zu Frage 2 Buchst. a und b (sachlicher Anwendungsbereich der Richtlinie 95/46)

 

21      Mit Frage 2 Buchst. a und b, die als Erste zu prüfen ist, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 95/46 dahin auszulegen ist, dass die Tätigkeit einer Suchmaschine als Anbieterin von Inhalten, die darin besteht, von Dritten ins Internet gestellte oder dort veröffentlichte Informationen zu finden, automatisch zu indexieren, vorübergehend zu speichern und schließlich den Internetnutzern in einer bestimmten Rangfolge zur Verfügung zu stellen, sofern die Informationen personenbezogene Daten enthalten, als „Verarbeitung personenbezogener Daten“ im Sinne der genannten Bestimmung einzustufen ist. Wenn ja, möchte das vorlegende Gericht ferner wissen, ob Art. 2 Buchst. d der Richtlinie 95/46 dahin auszulegen ist, dass der Suchmaschinenbetreiber im Sinne dieser Bestimmung als für eine solche Verarbeitung personenbezogener Daten „Verantwortlicher“ anzusehen ist.

 

22      Google Spain und Google Inc. vertreten die Auffassung, die Tätigkeit der Suchmaschinen sei nicht als Verarbeitung der Daten, die auf den in der Suchergebnisliste angezeigten Internetseiten Dritter erschienen, anzusehen, da Suchmaschinen sämtliche im Internet verfügbaren Informationen verarbeiteten, ohne zwischen personenbezogenen Daten und anderen Informationen zu unterscheiden. Selbst wenn diese Tätigkeit als „Datenverarbeitung“ einzustufen sein sollte, könne der Suchmaschinenbetreiber nicht als für die Verarbeitung „Verantwortlicher“ angesehen werden, da er keine Kenntnis von den personenbezogen Daten und keine Kontrolle über sie habe.

 

23      Herr Costeja González, die spanische, die italienische, die österreichische und die polnische Regierung sowie die Europäische Kommission sind hingegen der Ansicht, dass die Tätigkeit der Suchmaschinen ganz klar eine „Datenverarbeitung“ im Sinne der Richtlinie 95/46 umfasse, die sich von der, die von den Herausgebern der Websites ausgeführt werde, unterscheide und anderen Zwecken diene als diese. Der Suchmaschinenbetreiber sei, weil er über die Zwecke und Mittel der von ihm ausgeführten Datenverarbeitung entscheide, der für diese „Verantwortliche“.

 

24      Nach Auffassung der griechischen Regierung stellt die Tätigkeit der Suchmaschinen zwar eine Datenverarbeitung im Sinne der Richtlinie dar; da Suchmaschinen lediglich als Mittler fungierten, könnten die Unternehmen, die sie betrieben, aber nicht als „Verantwortliche“ angesehen werden, es sei denn, dass sie Daten in einem „Zwischenspeicher“ oder „Cache“ länger speicherten, als es technisch erforderlich sei.

 

25      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 95/46 die „Verarbeitung personenbezogener Daten“ definiert als „jeden mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführten Vorgang oder jede Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten wie das Erheben, das Speichern, die Organisation, die Aufbewahrung, die Anpassung oder Veränderung, das Auslesen, das Abfragen, die Benutzung, die Weitergabe durch Übermittlung, Verbreitung oder jede andere Form der Bereitstellung, die Kombination oder die Verknüpfung sowie das Sperren, Löschen oder Vernichten“.

 

26      Speziell zum Internet hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass der Vorgang, der darin besteht, personenbezogene Daten auf eine Internetseite zu stellen, als eine Verarbeitung personenbezogener Daten im Sinne von Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 95/46 anzusehen ist (vgl. Urteil Lindqvist, C‑101/01, EU:C:2003:596, Rn. 25).

 

27      Bei der Tätigkeit, um die es im Ausgangsverfahren geht, ist unstreitig, dass sich unter den Daten, die von den Suchmaschinen gefunden, indexiert, gespeichert und den Nutzern zur Verfügung gestellt werden, auch Informationen über bestimmte oder bestimmbare natürliche Personen, also „personenbezogene Daten“ im Sinne von Art. 2 Buchst. a der Richtlinie, befinden.

 

28      Indem er das Internet automatisch, kontinuierlich und systematisch auf die dort veröffentlichten Informationen durchforstet, „erhebt“ der Suchmaschinenbetreiber mithin personenbezogene Daten, die er dann mit seinen Indexierprogrammen „ausliest“, „speichert“ und „organisiert“, auf seinen Servern „aufbewahrt“ und gegebenenfalls in Form von Ergebnislisten an seine Nutzer „weitergibt“ und diesen „bereitstellt“. Diese Vorgänge sind in Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 95/46 ausdrücklich und ohne Einschränkung genannt, so dass sie als „Verarbeitung“ im Sinne dieser Bestimmung einzustufen sind, ohne dass es darauf ankommt, ob der Suchmaschinenbetreiber dieselben Vorgänge auch bei anderen Arten von Informationen ausführt und ob er zwischen diesen Informationen und personenbezogenen Daten unterscheidet.

 

29      Daran ändert auch nichts, dass die personenbezogenen Daten bereits im Internet veröffentlicht worden sind und von der Suchmaschine nicht verändert werden.

 

30      Der Gerichtshof hat nämlich bereits entschieden, dass die in Art. 2 Buchst. b der Richtlinien 95/46 genannten Vorgänge auch dann als Verarbeitung personenbezogener Daten einzustufen sind, wenn sie ausschließlich Informationen enthalten, die genau so bereits in den Medien veröffentlicht worden sind. Eine allgemeine Ausnahme von der Anwendung der Richtlinie 95/46 in solchen Fällen würde die Richtlinie nämlich weitgehend leerlaufen lassen (vgl. in diesem Sinne Urteil Satakunnan Markkinapörssi und Satamedia, C‑73/07, EU:C:2008:727, Rn. 48 und 49).

 

31      Im Übrigen ergibt sich aus der Begriffsbestimmung in Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 95/46, dass die Veränderung personenbezogener Daten zwar eine Verarbeitung im Sinne der Richtlinie ist, die anderen dort genannten Vorgänge dagegen keineswegs eine Veränderung dieser Daten erfordern.

 

32      Zur Frage, ob der Suchmaschinenbetreiber bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, die von der Suchmaschine im Rahmen einer Tätigkeit wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden ausgeführt wird, als „für die Verarbeitung Verantwortlicher“ anzusehen ist, ist festzustellen, dass Art. 2 Buchst. d der Richtlinie 95/46 den „für die Verarbeitung Verantwortlichen“ definiert als „die natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder jede andere Stelle, die allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet“.

 

33      Über die Zwecke und Mittel der genannten Tätigkeit und somit der in deren Rahmen vom Suchmaschinenbetreiber selbst ausgeführten Verarbeitung personenbezogener Daten entscheidet aber der Suchmaschinenbetreiber, so dass er als für diese Verarbeitung „Verantwortlicher“ im Sinne von Art. 2 Buchst. d der Richtlinie 95/46 anzusehen ist.

 

34      Im Übrigen ließe es sich nicht nur nicht mit dem klaren Wortlaut, sondern auch nicht mit dem Ziel der genannten Bestimmung, durch eine weite Bestimmung des Begriffs des „Verantwortlichen“ einen wirksamen und umfassenden Schutz der betroffenen Personen zu gewährleisten, vereinbaren, den Suchmaschinenbetreiber deshalb von diesem Begriff auszunehmen, weil die auf den Internetseiten Dritter veröffentlichten personenbezogenen Daten nicht seiner Kontrolle unterliegen.

 

35      Insoweit ist festzustellen, dass sich die Verarbeitung personenbezogener Daten, die im Rahmen der Tätigkeit einer Suchmaschine ausgeführt wird, von der unterscheidet, die von den Herausgebern von Websites, die diese Daten auf einer Internetseite einstellen, vorgenommen wird, und zusätzlich zu dieser erfolgt.

 

36      Außerdem ist unstreitig, dass diese Tätigkeit der Suchmaschinen maßgeblichen Anteil an der weltweiten Verbreitung personenbezogener Daten hat, da sie diese jedem Internetnutzer zugänglich macht, der eine Suche anhand des Namens der betreffenden Person durchführt, und zwar auch denjenigen, die die Internetseite, auf der diese Daten veröffentlicht sind, sonst nicht gefunden hätten.

 

37      Zudem kann die Organisation und Aggregation der im Internet veröffentlichten Informationen, die von den Suchmaschinen mit dem Ziel durchgeführt wird, ihren Nutzern den Zugang zu diesen Informationen zu erleichtern, bei einer anhand des Namens einer natürlichen Person durchgeführten Suche dazu führen, dass die Nutzer der Suchmaschinen mit der Ergebnisliste einen strukturierten Überblick über die zu der betreffenden Person im Internet zu findenden Informationen erhalten, anhand dessen sie ein mehr oder weniger detailliertes Profil der Person erstellen können.

 

38      Durch die Tätigkeit einer Suchmaschine können die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und Schutz personenbezogener Daten somit erheblich beeinträchtigt werden, und zwar zusätzlich zur Tätigkeit der Herausgeber von Websites; als derjenige, der über die Zwecke und Mittel dieser Tätigkeit entscheidet, hat der Suchmaschinenbetreiber daher in seinem Verantwortungsbereich im Rahmen seiner Befugnisse und Möglichkeiten dafür zu sorgen, dass die Tätigkeit den Anforderungen der Richtlinie 95/46 entspricht, damit die darin vorgesehenen Garantien ihre volle Wirksamkeit entfalten können und ein wirksamer und umfassender Schutz der betroffenen Personen, insbesondere ihres Rechts auf Achtung ihres Privatlebens, tatsächlich verwirklicht werden kann.

 

39      Schließlich ist festzustellen, dass der Umstand, dass die Herausgeber von Websites die Möglichkeit haben, den Suchmaschinenbetreibern u. a. mit Hilfe von Ausschlussprotokollen wie „robot.txt“ oder Codes wie „noindex“ oder „noarchive“ zu signalisieren, dass eine bestimmte auf ihrer Website veröffentlichte Information ganz oder teilweise von den automatischen Indexen der Suchmaschinen ausgeschlossen werden soll, nicht bedeutet, dass das Fehlen eines solchen Hinweises seitens der Herausgeber von Websites den Suchmaschinenbetreiber von seiner Verantwortung für die von ihm im Rahmen der Tätigkeit der Suchmaschinen vorgenommene Verarbeitung personenbezogener Daten befreite.

 

40      Dies ändert nämlich nichts daran, dass der Suchmaschinenbetreiber über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung personenbezogener Daten entscheidet. Selbst wenn die genannte Möglichkeit der Herausgeber von Websites bedeuten sollte, dass sie gemeinsam mit dem Suchmaschinenbetreiber über die Mittel der Verarbeitung personenbezogener Daten entscheiden, nimmt dies dem Suchmaschinenbetreiber nichts von seiner Verantwortung, da Art. 2 Buchst. d der Richtlinie 95/46 ausdrücklich vorsieht, dass die Entscheidung über die Mittel „allein oder gemeinsam mit anderen“ erfolgen kann.

 

41      Somit ist auf Frage 2 Buchst. a und b zu antworten, dass Art. 2 Buchst. b und d der Richtlinie 95/46 dahin auszulegen ist, dass die Tätigkeit einer Suchmaschine, die darin besteht, von Dritten ins Internet gestellte oder dort veröffentlichte Informationen zu finden, automatisch zu indexieren, vorübergehend zu speichern und schließlich den Internetnutzern in einer bestimmten Rangfolge zur Verfügung zu stellen, sofern die Informationen personenbezogene Daten enthalten, als „Verarbeitung personenbezogener Daten“ im Sinne von Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 95/46 einzustufen ist und dass der Betreiber dieser Suchmaschine als für diese Verarbeitung „Verantwortlicher“ im Sinne von Art. 2 Buchst. d der Richtlinie 95/46 anzusehen ist.

 

 Zu Frage 1 Buchst. a bis d (räumlicher Anwendungsbereich der Richtlinie 95/46)

 

42      Mit Frage 1 Buchst. a bis d möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die nationalen Rechtsvorschriften, mit denen die Richtlinie 95/46 umgesetzt wurde, unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens angewandt werden können.

 

43      Das vorlegende Gericht hat insoweit folgende Tatsachen festgestellt:

 

–        Google Search wird weltweit über die Website „www.google.com“ angeboten. Für viele Länder gibt es lokale, an die jeweilige Landessprache angepasste Versionen. Die spanischsprachige Version von Google Search wird über die seit dem 16. September 2003 registrierte Website „www.google.es“ angeboten. Google Search ist in Spanien eine der am meisten verwendeten Suchmaschinen.

 

–        Google Search wird von Google Inc., der Muttergesellschaft des Google-Konzerns mit Sitz in den Vereinigten Staaten, betrieben.

 

–        Google Search indexiert die Websites der ganzen Welt, u. a. die Websites in Spanien. Die Informationen, die von seinen „Webcrawlern“ oder Indexierungsbots – Computerprogrammen zum systematischen und automatischen Auffinden und Durchsuchen des Inhalts von Internetseiten – indexiert werden, werden vorübergehend auf Servern gespeichert, von denen nicht bekannt ist, in welchem Staat sie sich befinden, da diese Information aus Wettbewerbsgründen geheimgehalten wird.

 

–        Google Search beschränkt sich nicht darauf, Zugang zu den Inhalten der indexierten Websites zu gewähren, sondern zieht aus dieser Tätigkeit Gewinn, indem es für Unternehmen, die diese Funktion nutzen möchten, um den Internetnutzern ihre Waren oder Dienstleistungen anzubieten, gegen Entgelt Werbeanzeigen einbettet, die mit den von den Internetnutzern eingegebenen Suchwörtern verknüpft sind.

 

–        Der Google-Konzern bedient sich seiner Tochtergesellschaft Google Spain, um Werbung für den Verkauf der Werbeflächen auf der Website „www.google.com“ zu machen. Die Gesellschaft wurde am 3. September 2003 gegründet und hat eigene Rechtspersönlichkeit; ihr Sitz befindet sich in Madrid (Spanien). Als Handelsvertreter des Google-Konzerns in Spanien wendet sich Google Spain im Wesentlichen an in Spanien ansässige Unternehmen. Gesellschaftszweck ist die Förderung, Erleichterung und Durchführung des Verkaufs von Produkten und Diensten der Onlinewerbung an Dritte und das entsprechende Marketing.

 

–        Google Inc. hat für zwei von ihr bei der AEPD angemeldete Dateien mit den ihre Werbekunden betreffenden personenbezogenen Daten Google Spain als für die Verarbeitung in Spanien Verantwortlicher angegeben.

 

44      Konkret sind für das vorlegende Gericht in erster Linie der Begriff „Niederlassung“ im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 95/46 und der Begriff „Rückgriff auf Mittel, die im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats belegen sind“, im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie fraglich.

 

 Zu Frage 1 Buchst. a

 

45      Mit Frage 1 Buchst. a möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 4 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 95/46 dahin auszulegen ist, dass im Sinne dieser Bestimmung eine Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen der Tätigkeiten einer Niederlassung, die der für die Verarbeitung Verantwortliche im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats besitzt, ausgeführt wird, wenn eine oder mehrere der drei nachstehenden Voraussetzungen erfüllt sind:

 

–        der Suchmaschinenbetreiber gründet in einem Mitgliedstaat für die Förderung des Verkaufs der Werbeflächen der Suchmaschine und diesen Verkauf selbst eine Zweigniederlassung oder Tochtergesellschaft, deren Tätigkeit auf die Einwohner dieses Staates ausgerichtet ist,

 

–        die Muttergesellschaft benennt eine in diesem Mitgliedstaat ansässige Tochtergesellschaft als ihre Vertreterin und für zwei spezifische Dateien mit den Daten ihrer Werbekunden als für die Verarbeitung Verantwortliche und/oder

 

–        die in einem Mitgliedstaat ansässige Zweigniederlassung oder Tochtergesellschaft leitet Beschwerden und Anordnungen, die von den betroffenen Personen bzw. den zuständigen Behörden an sie gerichtet werden, um zu erwirken, dass das Recht auf Schutz personenbezogener Daten beachtet wird, an die außerhalb der Union ansässige Muttergesellschaft weiter, auch wenn diese Zusammenarbeit freiwillig erfolgt.

 

46      Zur ersten dieser drei Voraussetzungen führt das vorlegende Gericht aus, Google Search werde von Google Inc. betrieben und verwaltet; es sei nicht erwiesen, dass Google Spain in Spanien eine Tätigkeit ausübe, die unmittelbar mit der Indexierung oder Speicherung von in Websites Dritter enthaltener Informationen oder Daten zusammenhänge. Die Tätigkeit des Verkaufs der Werbeflächen und der Förderung dieses Verkaufs, um die sich für Spanien Google Spain kümmere, stelle aber den wesentlichen Teil der geschäftlichen Tätigkeit des Google-Konzerns dar; es könne davon ausgegangen werden, dass diese Tätigkeit eng mit Google Search zusammenhänge.

 

47      Herr Costeja González, die spanische, die italienische, die österreichische und die polnische Regierung sowie die Kommission sind der Ansicht, dass Google Spain wegen der untrennbaren Verbindung, die zwischen ihrer Tätigkeit und der der von Google Inc. betriebenen Suchmaschine bestehe, als Niederlassung von Google Inc. anzusehen sei; die Verarbeitung personenbezogener Daten werde im Rahmen der Tätigkeiten dieser Niederlassung ausgeführt. Google Spain, Google Inc. und die griechische Regierung meinen hingegen, Art. 4 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 95/46 finde auf die Fallgestaltung der ersten der drei vom vorlegenden Gericht angeführten Voraussetzungen keine Anwendung.

 

48      Hierzu ist zunächst festzustellen, dass es im 19. Erwägungsgrund der Richtlinie 95/46 heißt, dass „[e]ine Niederlassung im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats … die effektive und tatsächliche Ausübung einer Tätigkeit mittels einer festen Einrichtung voraus[setzt]“ und „[d]ie Rechtsform einer solchen Niederlassung, die eine Agentur oder eine Zweigstelle sein kann, … in dieser Hinsicht nicht maßgeblich [ist]“.

 

49      Dass Google Spain in Spanien effektiv und tatsächlich eine Tätigkeit mittels einer festen Einreichung ausübt, ist aber unstreitig. Google Spain verfügt außerdem über eigene Rechtspersönlichkeit, so dass sie eine Tochtergesellschaft von Google Inc. in Spanien und somit eine „Niederlassung“ im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 95/46 darstellt.

 

50      Diese Bestimmung setzt ferner voraus, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten durch den für die Verarbeitung Verantwortlichen „im Rahmen der Tätigkeiten“ einer Niederlassung ausgeführt wird, die dieser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats besitzt.

 

51      Google Spain und Google Inc. sind der Ansicht, diese Voraussetzung sei im vorliegenden Fall nicht erfüllt, da die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Verarbeitung personenbezogener Daten ausschließlich von Google Inc. ausgeführt werde, die Google Search betreibe, ohne dass Google Spain daran in irgendeiner Weise mitwirke; die Tätigkeit von Google Spain beschränke sich auf die Unterstützung der Tätigkeit des Google-Konzerns auf dem Gebiet der Werbung, die von seinem Suchmaschinendienst verschieden sei.

 

52      Wie insbesondere die spanische Regierung und die Kommission geltend machen, verlangt Art. 4 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 95/46 aber nicht, dass die in Rede stehende Verarbeitung personenbezogener Daten „von“ der betreffenden Niederlassung selbst ausgeführt wird, sondern lediglich, dass sie „im Rahmen der Tätigkeiten“ der Niederlassung ausgeführt wird.

 

53      Außerdem kann diese Wendung im Hinblick auf das Ziel der Richtlinie 95/46, nämlich bei der Verarbeitung personenbezogener Daten einen wirksamen und umfassenden Schutz der Grundfreiheiten und Grundrechte natürlicher Personen, insbesondere des Rechts auf Privatleben, zu gewährleisten, nicht eng ausgelegt werden (vgl. entsprechend Urteil LʼOréal u. a., C‑324/09, EU:C:2011:474, Rn. 62 und 63).

 

54      Insoweit ergibt sich insbesondere aus den Erwägungsgründen 18 bis 20 und Art. 4 der Richtlinie 95/46, dass der Unionsgesetzgeber vermeiden wollte, dass der gemäß der Richtlinie gewährleistete Schutz einer Person vorenthalten und umgangen wird, und deshalb einen besonders weiten räumlichen Anwendungsbereich vorgesehen hat.

 

55      Im Hinblick auf dieses Ziel der Richtlinie 95/46 und den Wortlaut ihres Art. 4 Abs. 1 Buchst. a ist davon auszugehen, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten, die für den Dienst einer Suchmaschine wie Google Search erfolgt, die von einem Unternehmen betrieben wird, das seinen Sitz in einem Drittstaat hat, jedoch in einem Mitgliedstaat über eine Niederlassung verfügt, „im Rahmen der Tätigkeiten“ dieser Niederlassung ausgeführt wird, wenn diese die Aufgabe hat, in dem Mitgliedstaat für die Förderung des Verkaufs der angebotenen Werbeflächen der Suchmaschine, mit denen die Dienstleistung der Suchmaschine rentabel gemacht werden soll, und diesen Verkauf selbst zu sorgen.

 

56      Unter solchen Umständen sind nämlich die Tätigkeiten des Suchmaschinenbetreibers und die seiner Niederlassung in dem betreffenden Mitgliedstaat untrennbar miteinander verbunden, da die die Werbeflächen betreffenden Tätigkeiten das Mittel darstellen, um die in Rede stehende Suchmaschine wirtschaftlich rentabel zu machen, und die Suchmaschine gleichzeitig das Mittel ist, das die Durchführung dieser Tätigkeiten ermöglicht.

 

57      Wie in den Rn. 26 bis 28 des vorliegenden Urteils ausgeführt, stellt bereits die Anzeige personenbezogener Daten auf einer Seite mit Suchergebnissen eine Verarbeitung dieser Daten dar. Da aber zusammen mit den Ergebnissen auf derselben Seite die mit den Suchbegriffen verknüpften Werbeanzeigen angezeigt werden, ist festzustellen, dass die in Rede stehende Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen der Werbetätigkeit erfolgt, die von der Niederlassung, die der für die Verarbeitung Verantwortliche im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats – im vorliegenden Fall in Spanien – besitzt, ausgeübt wird.

 

58      Daher kann es nicht angehen, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten, die zum Betrieb der Suchmaschine ausgeführt wird, den in der Richtlinie 95/46 vorgesehenen Verpflichtungen und Garantien entzogen wird, was die praktische Wirksamkeit der Richtlinie und den wirksamen und umfassenden Schutz der Grundrechte und Grundfreiheiten natürlicher Personen, die mit ihr gewährleistet werden sollen, einschränken würde (vgl. entsprechend Urteil LʼOréal u. a., EU:C:2011:474, Rn. 62 und 63), insbesondere des Rechts auf Schutz der Privatsphäre bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, dem die Richtlinie eine besondere Bedeutung beimisst, wie u. a. aus ihrem Art. 1 Abs. 1 und ihren Erwägungsgründen 2 und 10 hervorgeht (vgl. in diesem Sinne Urteile Österreichischer Rundfunk u. a., C‑465/00, C‑138/01 und C‑139/01, EU:C:2003:294, Rn. 70, Rijkeboer, C‑553/07, EU:C:2009:293, Rn. 47, und IPI, C‑473/12, EU:C:2013:715, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

59      Da die erste der drei vom vorlegenden Gericht angeführten Voraussetzungen bereits für die Feststellung genügt, dass eine Niederlassung wie Google Spain das Kriterium des Art. 4 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 95/46 erfüllt, brauchen die beiden anderen Voraussetzungen nicht geprüft zu werden.

 

60      Somit ist auf Frage 1 Buchst. a zu antworten, dass Art. 4 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 95/46 dahin auszulegen ist, dass im Sinne dieser Bestimmung eine Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen der Tätigkeiten einer Niederlassung, die der für die Verarbeitung Verantwortliche im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats besitzt, ausgeführt wird, wenn der Suchmaschinenbetreiber in einem Mitgliedstaat für die Förderung des Verkaufs der Werbeflächen der Suchmaschine und diesen Verkauf selbst eine Zweigniederlassung oder Tochtergesellschaft gründet, deren Tätigkeit auf die Einwohner dieses Staates ausgerichtet ist.

 

 Zu Frage 1 Buchst. b, c und d

 

61      In Anbetracht der Antwort auf Frage 1 Buchst. a ist Frage 1 Buchst. b, c und d nicht zu beantworten.

 

 Zu Frage 2 Buchst. c und d (Umfang der Verantwortlichkeit des Suchmaschinenbetreibers nach der Richtlinie 95/46)

 

62      Mit Frage 2 Buchst. c und d möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 12 Buchst. b und Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 95/46 dahin auszulegen sind, dass der Suchmaschinenbetreiber zur Wahrung der in diesen Bestimmungen vorgesehenen Rechte dazu verpflichtet ist, von der Ergebnisliste, die im Anschluss an eine anhand des Namens einer Person durchgeführte Suche angezeigt wird, Links zu von Dritten veröffentlichten Internetseiten mit Informationen zu dieser Person zu entfernen, auch wenn der Name oder die Informationen auf diesen Internetseiten nicht vorher oder gleichzeitig gelöscht werden und gegebenenfalls auch dann, wenn ihre Veröffentlichung auf den Internetseiten als solche rechtmäßig ist.

 

63      Google Spain und Google Inc. sind der Ansicht, dass Anträge auf Löschung von Informationen nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit an den Herausgeber der betreffenden Website zu richten seien, da dieser die Verantwortung für die Veröffentlichung der Informationen übernehme, die Rechtmäßigkeit der Veröffentlichung beurteilen könne und über die wirksamsten und am wenigsten beeinträchtigenden Mittel zur Unzugänglichmachung der Informationen verfüge. Außerdem werde den Grundrechten der Websiteherausgeber, der anderen Internetnutzer und des Suchmaschinenbetreibers nicht hinreichend Rechnung getragen, wenn Letzterer angewiesen werde, im Internet veröffentlichte Informationen aus seinen Indexen zu entfernen.

 

64      Die österreichische Regierung vertritt die Auffassung, eine nationale Kontrollstelle könne nur dann anordnen, dass der Suchmaschinenbetreiber von Dritten veröffentlichte Informationen aus seinen Dateien lösche, wenn vorher festgestellt worden sei, dass die betreffenden Daten rechtswidrig oder unzutreffend seien, oder die betroffene Person beim Herausgeber der Website, auf der die Informationen veröffentlicht worden seien, mit Erfolg Widerspruch eingelegt habe.

 

65      Herr Costeja González, die spanische, die italienische und die polnische Regierung sowie die Kommission vertreten die Auffassung, die nationale Behörde könne den Betreiber einer Suchmaschine unmittelbar anweisen, aus seinen Indexen und seinem Zwischenspeicher Informationen zu entfernen, die von Dritten veröffentlichte personenbezogene Daten enthielten, ohne sich vorher oder gleichzeitig an den Herausgeber der Website wenden zu müssen, auf der sich die Informationen befänden. Nach Auffassung von Herrn Costeja González, der spanischen und der italienischen Regierung sowie der Kommission kommt es für die Verpflichtungen des Suchmaschinenbetreibers aus der Richtlinie 95/46 ferner nicht darauf an, dass die Informationen rechtmäßig veröffentlicht worden sind und sich nach wie vor auf der ursprünglichen Internetseite befinden. Nach Auffassung der polnischen Regierung dagegen kann dieser Umstand den Suchmaschinenbetreiber von seinen Verpflichtungen befreien.

 

66      Zunächst ist zu beachten, dass die Richtlinie 95/46, wie sich aus ihrem Art. 1 und ihrem 10. Erwägungsgrund ergibt, darauf abzielt, ein hohes Niveau des Schutzes der Grundrechte und Grundfreiheiten, insbesondere der Privatsphäre, natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten zu gewährleisten (vgl. in diesem Sinne Urteil IPI, EU:C:2013:715, Rn. 28).

 

67      Nach dem 25. Erwägungsgrund der Richtlinie 95/46 finden die in der Richtlinie vorgesehenen Schutzprinzipien zum einen ihren Niederschlag in den Pflichten, die den für die Verarbeitung verantwortlichen Personen obliegen und insbesondere die Datenqualität, die technische Sicherheit, die Meldung bei der Kontrollstelle und die Voraussetzungen, unter denen eine Verarbeitung vorgenommen werden kann, betreffen, und kommen zum anderen in den Rechten der Personen, deren Daten Gegenstand von Verarbeitungen sind, über diese informiert zu werden, Zugang zu den Daten zu erhalten, ihre Berichtigung verlangen bzw. unter gewissen Voraussetzungen Widerspruch gegen die Verarbeitung einlegen zu können, zum Ausdruck.

 

68      Der Gerichtshof hat bereits entschieden, dass die Bestimmungen der Richtlinie 95/46, soweit sie Verarbeitungen personenbezogener Daten betreffen, die zu Beeinträchtigungen der Grundfreiheiten und insbesondere des Rechts auf Achtung des Privatlebens führen können, im Licht der Grundrechte auszulegen sind, die nach ständiger Rechtsprechung zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen gehören, deren Wahrung der Gerichtshof zu sichern hat, und nun in der Charta verankert sind (vgl. u. a. Urteile Connolly/Kommission, C‑274/99 P, EU:C:2001:127, Rn. 37, und Österreichischer Rundfunk u. a., EU:C:2003:294, Rn. 68).

 

69      So garantiert Art. 7 der Charta das Recht auf Achtung des Privatlebens, und Art. 8 der Charta proklamiert ausdrücklich das Recht auf Schutz der personenbezogenen Daten. In den Abs. 2 und 3 des letztgenannten Artikels wird präzisiert, dass diese Daten nur nach Treu und Glauben für festgelegte Zwecke und mit Einwilligung der betroffenen Person oder auf einer sonstigen gesetzlich geregelten legitimen Grundlage verarbeitet werden dürfen, dass jede Person das Recht hat, Auskunft über die sie betreffenden erhobenen Daten zu erhalten und die Berichtigung der Daten zu erwirken, und dass die Einhaltung dieser Vorschriften von einer unabhängigen Stelle überwacht wird. Diese Erfordernisse werden insbesondere durch die Art. 6, 7, 12, 14 und 28 der Richtlinie 95/46 durchgeführt.

 

70      Nach Art. 12 Buchst. b der Richtlinie 95/46 garantieren die Mitgliedstaaten jeder betroffenen Person das Recht, vom für die Verarbeitung Verantwortlichen je nach Fall die Berichtigung, Löschung oder Sperrung von Daten zu erhalten, deren Verarbeitung nicht den Bestimmungen der Richtlinie entspricht, insbesondere wenn diese Daten unvollständig oder unrichtig sind. Da diese letztgenannte Präzisierung in Bezug auf die Nichterfüllung bestimmter in Art. 6 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 95/46 genannter Erfordernisse exemplarischen, und nicht abschließenden Charakter hat, kann eine Verarbeitung auch deshalb nicht den Bestimmungen der Richtlinie entsprechen und somit für die betroffene Person das in Art. 12 Buchst. b der Richtlinie garantierte Recht begründen, weil andere Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten gemäß der Richtlinie nicht erfüllt sind.

 

71      Jede Verarbeitung personenbezogener Daten muss – vorbehaltlich der in Art. 13 der Richtlinie 95/46 zugelassenen Ausnahmen – den in Art. 6 der Richtlinie aufgestellten Grundsätzen in Bezug auf die Qualität der Daten und einem der in Art. 7 der Richtlinie aufgeführten Grundsätze in Bezug auf die Zulässigkeit der Verarbeitung von Daten genügen (vgl. Urteile Österreichischer Rundfunk u. a., EU:C:2003:294, Rn. 65; ASNEF und FECEMD, C‑468/10 und C‑469/10, EU:C:2011:777, Rn. 26, und Worten, C‑342/12, EU:C:2013:355, Rn. 33).

 

72      Vorbehaltlich besonderer Vorschriften, die die Mitgliedstaaten für die Verarbeitung personenbezogener Daten für historische, statistische oder wissenschaftliche Zwecke vorsehen können, hat der für die Verarbeitung Verantwortliche nach dem Wortlaut des genannten Art. 6 der Richtlinie 95/46 dafür zu sorgen, dass die personenbezogenen Daten „nach Treu und Glauben und auf rechtmäßige Weise verarbeitet werden“, „für festgelegte eindeutige und rechtmäßige Zwecke erhoben und nicht in einer mit diesen Zweckbestimmungen nicht zu vereinbarenden Weise weiterverarbeitet werden“, „den Zwecken entsprechen, für die sie erhoben und/oder weiterverarbeitet werden, dafür erheblich sind und nicht darüber hinausgehen“, „sachlich richtig und, wenn nötig, auf den neuesten Stand gebracht sind“ und „nicht länger, als es für die Realisierung der Zwecke, für die sie erhoben oder weiterverarbeitet werden, erforderlich ist, in einer Form aufbewahrt werden, die die Identifizierung der betroffenen Personen ermöglicht“. Der für die Verarbeitung Verantwortliche hat insofern alle angemessenen Maßnahmen zu treffen, damit Daten, die die Anforderungen der genannten Bestimmung nicht erfüllen, gelöscht oder berichtigt werden.

 

73      Was die Zulässigkeit gemäß Art. 7 der Richtlinie 95/46 angeht, kommt für eine von einem Suchmaschinenbetreiber ausgeführte Verarbeitung, wie sie im Ausgangsverfahren in Rede steht, als Zulässigkeitsgrund Art. 7 Buchst. f der Richtlinie in Betracht.

 

74      Nach dieser Bestimmung ist die Verarbeitung personenbezogener Daten zulässig, wenn sie zur Verwirklichung des berechtigten Interesses, das von dem für die Verarbeitung Verantwortlichen oder von dem bzw. den Dritten wahrgenommen wird, denen die Daten übermittelt werden, erforderlich ist, sofern nicht das Interesse oder die Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, insbesondere ihr Recht auf Schutz der Privatsphäre bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, die gemäß Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie geschützt sind, überwiegen. Die Anwendung von Art. 7 Buchst. f der Richtlinie 95/46 erfordert also eine Abwägung der jeweiligen einander gegenüberstehenden Rechte und Interessen, in deren Rahmen die Bedeutung der Rechte der betroffenen Person, die sich aus den Art. 7 und 8 der Charta ergeben, zu berücksichtigen ist (vgl. Urteil ASNEF und FECEMD, EU:C:2011:777, Rn. 38 und 40).

 

75      Ob eine Verarbeitung den Bestimmungen von Art. 6 und Art. 7 Buchst. f der Richtlinie 95/46 entspricht, kann im Rahmen eines Antrags gemäß Art. 12 Buchst. b der Richtlinie geprüft werden; unter bestimmten Voraussetzungen kann die betroffene Person darüber hinaus aber auch ihr Widerspruchsrecht gemäß Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie ausüben.

 

76      Nach dem genannten Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 95/46 erkennen die Mitgliedstaaten das Recht der betroffenen Person an, zumindest in den Fällen von Art. 7 Buchst. e und f der Richtlinie jederzeit aus überwiegenden, schutzwürdigen, sich aus ihrer besonderen Situation ergebenden Gründen dagegen Widerspruch einlegen zu können, dass sie betreffende Daten verarbeitet werden, wobei dies nicht bei einer im einzelstaatlichen Recht vorgesehenen entgegenstehenden Bestimmung gilt. Bei der im Rahmen von Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie vorzunehmenden Abwägung lassen sich somit spezieller alle Umstände der konkreten Situation der betroffenen Person berücksichtigen. Im Fall eines berechtigten Widerspruchs kann sich die vom für die Verarbeitung Verantwortlichen vorgenommene Verarbeitung nicht mehr auf diese Daten beziehen.

 

77      Anträge gemäß Art. 12 Buchst. b und Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 95/46 können von der betroffenen Person unmittelbar an den für die Verarbeitung Verantwortlichen gerichtet werden, der dann sorgfältig ihre Begründetheit zu prüfen und die Verarbeitung der betreffenden Daten gegebenenfalls zu beenden hat. Gibt der für die Verarbeitung Verantwortliche den Anträgen nicht statt, kann sich die betroffene Person an die Kontrollstelle oder das zuständige Gericht wenden, damit diese die erforderlichen Überprüfungen vornehmen und den für die Verarbeitung Verantwortlichen entsprechend anweisen, bestimmte Maßnahmen zu ergreifen.

 

78      In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass sich nach Art. 28 Abs. 3 und 4 der Richtlinie 95/46 jede Person zum Schutz ihrer Rechte und Freiheiten bei der Verarbeitung personenbezogener Daten an jede Kontrollstelle mit einer Eingabe wenden kann und jede Kontrollstelle über Untersuchungsbefugnisse und wirksame Einwirkungsbefugnisse verfügt, aufgrund deren sie u. a. die Sperrung, Löschung oder Vernichtung von Daten oder das vorläufige oder endgültige Verbot einer Verarbeitung personenbezogener Daten anordnen kann.

 

79      Wird die Kontrollstelle oder das zuständige Gericht mit einem Antrag wie dem des Ausgangsverfahrens befasst, sind die Bestimmungen der Richtlinie 95/46 über die Rechte der betroffenen Person im Licht der vorstehenden Erwägungen auszulegen und anzuwenden.

 

80      Wie bereits in den Rn. 36 bis 38 des vorliegenden Urteils ausgeführt, kann eine von einem Suchmaschinenbetreiber ausgeführte Verarbeitung personenbezogener Daten wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und Schutz personenbezogener Daten erheblich beeinträchtigen, wenn die Suche mit dieser Suchmaschine anhand des Namens einer natürlichen Person durchgeführt wird, da diese Verarbeitung es jedem Internetnutzer ermöglicht, mit der Ergebnisliste einen strukturierten Überblick über die zu der betreffenden Person im Internet zu findenden Informationen zu erhalten, die potenziell zahlreiche Aspekte von deren Privatleben betreffen und ohne die betreffende Suchmaschine nicht oder nur sehr schwer hätten miteinander verknüpft werden können, und somit ein mehr oder weniger detailliertes Profil der Person zu erstellen. Zudem wird die Wirkung des Eingriffs in die genannten Rechte der betroffenen Person noch durch die bedeutende Rolle des Internets und der Suchmaschinen in der modernen Gesellschaft gesteigert, die den in einer Ergebnisliste enthaltenen Informationen Ubiquität verleihen (vgl. in diesem Sinne Urteil eDate Advertising u. a., C‑509/09 und C‑161/10, EU:C:2011:685, Rn. 45).

 

81      Wegen seiner potenziellen Schwere kann ein solcher Eingriff nicht allein mit dem wirtschaftlichen Interesse des Suchmaschinenbetreibers an der Verarbeitung der Daten gerechtfertigt werden. Da sich die Entfernung von Links aus der Ergebnisliste aber je nach der Information, um die es sich handelt, auf das berechtigte Interesse von potenziell am Zugang zu der Information interessierten Internetnutzern auswirken kann, ist in Situationen wie der des Ausgangsverfahrens ein angemessener Ausgleich u. a. zwischen diesem Interesse und den Grundrechten der betroffenen Person aus den Art. 7 und 8 der Charta zu finden. Zwar überwiegen die durch diese Artikel geschützten Rechte der betroffenen Person im Allgemeinen gegenüber dem Interesse der Internetnutzer; der Ausgleich kann in besonders gelagerten Fällen aber von der Art der betreffenden Information, von deren Sensibilität für das Privatleben der betroffenen Person und vom Interesse der Öffentlichkeit am Zugang zu der Information abhängen, das u. a. je nach der Rolle, die die Person im öffentlichen Leben spielt, variieren kann.

 

82      Nach der Beurteilung der Anwendungsvoraussetzungen von Art. 12 Buchst. b und Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 95/46, die die Kontrollstelle oder das zuständige Gericht vorzunehmen haben, wenn sie mit einem Antrag wie dem des Ausgangsverfahrens befasst werden, können sie den Suchmaschinenbetreiber anweisen, aus der Liste mit den Ergebnissen einer anhand des Namens einer Person durchgeführten Suche Links zu von Dritten veröffentlichten Seiten mit Informationen über diese Person zu entfernen, ohne dass eine solche Anordnung voraussetzt, dass der Name und die Informationen vorher oder gleichzeitig vom Herausgeber der Internetseite, auf der sie veröffentlicht worden sind, freiwillig oder auf Anordnung der Kontrollstelle oder des Gerichts von dieser Seite entfernt werden.

 

83      Wie bereits in den Rn. 35 bis 38 des vorliegenden Urteils ausgeführt, hat der Suchmaschinenbetreiber, da die im Rahmen der Tätigkeit einer Suchmaschine ausgeführte Datenverarbeitung sich von der unterscheidet, die von den Herausgebern von Websites ausgeführt worden ist, zusätzlich zu dieser erfolgt und die Grundrechte der betroffenen Person zusätzlich beeinträchtigt, als für die Verarbeitung Verantwortlicher in seinem Verantwortungsbereich im Rahmen seiner Befugnisse und Möglichkeiten dafür zu sorgen, dass die Verarbeitung den Anforderungen der Richtlinie 95/46 genügt, so dass die von dieser vorgesehenen Garantien ihre volle Wirkung entfalten können.

 

84      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass, da auf einer Website veröffentlichte Informationen leicht auf anderen Websites wiedergegeben werden können und die für die Veröffentlichung Verantwortlichen nicht immer dem Unionsrecht unterliegen, ein wirksamer und umfassender Schutz der betroffenen Personen nicht erreicht werden könnte, wenn diese vorher oder parallel bei den Herausgebern der Websites die Löschung der sie betreffenden Informationen erwirken müssten.

 

85      Außerdem kann die vom Herausgeber einer Website in Form der Veröffentlichung von Informationen zu einer natürlichen Person ausgeführte Verarbeitung gegebenenfalls „allein zu journalistischen … Zwecken“ erfolgen, so dass für sie nach Art. 9 der Richtlinie 95/46 Ausnahmen von den Erfordernissen der Richtlinie gelten, während dies bei einer vom Betreiber einer Suchmaschine ausgeführten Verarbeitung nicht der Fall ist. Mithin ist nicht auszuschließen, dass die betroffene Person unter bestimmten Umständen die Rechte gemäß Art. 12 Buchst. b und Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 95/46 gegen den Suchmaschinenbetreiber, aber nicht gegen den Herausgeber der Website geltend machen kann.

 

86      Schließlich ist festzustellen, dass der Zulässigkeitsgrund gemäß Art. 7 der Richtlinie 95/46 für die Veröffentlichung personenbezogener Daten auf einer Website nicht unbedingt derselbe ist wie für die Tätigkeit der Suchmaschinen; selbst wenn dies der Fall ist, kann die nach Art. 7 Buchst. f und Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie vorzunehmende Interessenabwägung je nachdem, ob es sich um die vom Suchmaschinenbetreiber oder die von dem Herausgeber der Internetseite ausgeführte Verarbeitung handelt, verschieden ausfallen, da sowohl die berechtigten Interessen, die die Verarbeitungen rechtfertigen, verschieden sein können als auch die Folgen, die die Verarbeitungen für die betroffene Person, insbesondere für ihr Privatleben, haben, nicht zwangsläufig dieselben sind.

 

87      Die Aufnahme einer Internetseite und der darin über eine Person enthaltenen Informationen in die Liste mit den Ergebnissen einer anhand des Namens der betreffenden Person durchgeführten Suche kann die Zugänglichkeit der Informationen für Internetnutzer, die eine Suche zu der Person durchführen, nämlich erheblich erleichtern und eine entscheidende Rolle bei der Verbreitung der Informationen spielen. Sie kann mithin einen stärkeren Eingriff in das Grundrecht auf Achtung des Privatlebens der betroffenen Person darstellen als die Veröffentlichung durch den Herausgeber der Internetseite.

 

88      Somit ist auf Frage 2 Buchst. c und d zu antworten, dass Art. 12 Buchst. b und Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 95/46 dahin auszulegen sind, dass der Suchmaschinenbetreiber zur Wahrung der in diesen Bestimmungen vorgesehenen Rechte, sofern deren Voraussetzungen erfüllt sind, dazu verpflichtet ist, von der Ergebnisliste, die im Anschluss an eine anhand des Namens einer Person durchgeführte Suche angezeigt wird, Links zu von Dritten veröffentlichten Internetseiten mit Informationen zu dieser Person zu entfernen, auch wenn der Name oder die Informationen auf diesen Internetseiten nicht vorher oder gleichzeitig gelöscht werden und gegebenenfalls auch dann, wenn ihre Veröffentlichung auf den Internetseiten als solche rechtmäßig ist.

 

 Zu Frage 3 (Umfang der durch die Richtlinie 95/46 garantierten Rechte der betroffenen Person)

 

89      Mit Frage 3 möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 12 Buchst. b und Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 95/46 dahin auszulegen sind, dass die betroffene Person vom Suchmaschinenbetreiber verlangen kann, von der Ergebnisliste, die im Anschluss an eine anhand ihres Namens durchgeführte Suche angezeigt wird, Links zu von Dritten rechtmäßig veröffentlichten Internetseiten mit wahrheitsgemäßen Informationen über sie zu entfernen, weil diese Informationen ihr schaden können oder weil sie möchte, dass sie nach einer gewissen Zeit „vergessen“ werden.

 

90      Nach Auffassung von Google Spain, Google Inc., der griechischen, der österreichischen und der polnischen Regierung sowie der Kommission ist diese Frage zu verneinen. Google Spain, Google Inc., die polnische Regierung und die Kommission machen insoweit geltend, Art. 12 Buchst. b und Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 95/46 gewährten den betroffenen Personen nur unter der Voraussetzung Rechte, dass die betreffende Verarbeitung nicht den Bestimmungen der Richtlinie entspreche, oder aus überwiegenden, schutzwürdigen, sich aus ihrer besonderen Situation ergebenden Gründen, und nicht bereits, weil die Verarbeitung ihnen ihrer Auffassung nach schaden könne oder sie möchten, dass die Daten, die Gegenstand der Verarbeitung seien, dem Vergessen anheimfallen. Nach Auffassung der griechischen und der österreichischen Regierung hat sich die betroffene Person an den Herausgeber der Website zu wenden.

 

91      Herr Costeja González sowie die spanische und die italienische Regierung vertreten die Auffassung, die betroffene Person könne der Indexierung der sie betreffenden personenbezogenen Daten durch eine Suchmaschine widersprechen, wenn die Verbreitung der Daten mit Hilfe der Suchmaschine ihr schade und ihre Grundrechte auf Schutz personenbezogener Daten und Achtung des Privatlebens, die das „Recht auf Vergessenwerden“ umfassten, gegenüber den berechtigten Interessen des Suchmaschinenbetreibers und dem allgemeinen Interesse an der Informationsfreiheit überwögen.

 

92      Zu Art. 12 Buchst. b der Richtlinie 95/46, der voraussetzt, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten nicht den Bestimmungen der Richtlinie entspricht, ist festzustellen, dass die Verarbeitung, wie bereits in Rn. 72 des vorliegenden Urteils ausgeführt, den Bestimmungen der Richtlinie nicht nur nicht entsprechen kann, weil die Daten sachlich unrichtig sind, sondern u. a. auch, weil sie nicht den Zwecken der Verarbeitung entsprechen, dafür nicht erheblich sind oder darüber hinausgehen, nicht auf den neuesten Stand gebracht sind oder länger als erforderlich aufbewahrt werden, es sei denn ihre Aufbewahrung ist für historische, statistische oder wissenschaftliche Zwecke erforderlich.

 

93      Aus diesen in Art. 6 Abs. 1 Buchst. c bis e der Richtlinie 95/46 enthaltenen Anforderungen ergibt sich, dass auch eine ursprünglich rechtmäßige Verarbeitung sachlich richtiger Daten im Laufe der Zeit nicht mehr den Bestimmungen der Richtlinie entsprechen kann, wenn die Daten für die Zwecke, für die sie erhoben oder verarbeitet worden sind, nicht mehr erforderlich sind. Das ist insbesondere der Fall, wenn sie diesen Zwecken in Anbetracht der verstrichenen Zeit nicht entsprechen, dafür nicht oder nicht mehr erheblich sind oder darüber hinausgehen.

 

94      Wird somit auf einen Antrag der betroffenen Person gemäß Art. 12 Buchst. b der Richtlinie 95/46 festgestellt, dass die Einbeziehung von Links zu von Dritten rechtmäßig veröffentlichten Internetseiten, die wahrheitsgemäße Informationen zu ihrer Person enthalten, in die Ergebnisliste, die im Anschluss an eine anhand ihres Namens durchgeführte Suche angezeigt wird, zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mit Art. 6 Abs. 1 Buchst. c bis e der Richtlinie vereinbar ist, weil sich herausstellt, dass die Informationen in Anbetracht aller Umstände des Einzelfalls den Zwecken der in Rede stehenden Verarbeitung durch den Suchmaschinenbetreiber nicht entsprechen, dafür nicht oder nicht mehr erheblich sind oder darüber hinausgehen, müssen die betreffenden Informationen und Links der Ergebnisliste gelöscht werden.

 

95      Zu den Anträgen gemäß Art. 12 Buchst. b der Richtlinie 95/46 wegen Nichtbeachtung der Voraussetzungen des Art. 7 Buchst. f der Richtlinie und den Anträgen gemäß Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie ist festzustellen, dass jede Verarbeitung personenbezogener Daten während der gesamten Dauer ihrer Ausführung nach Art. 7 zulässig sein muss.

 

96      Somit ist im Rahmen der Beurteilung solcher Anträge, die gegen eine Verarbeitung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende gerichtet sind, u. a. zu prüfen, ob die betroffene Person ein Recht darauf hat, dass die Information über sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mehr durch eine Ergebnisliste, die im Anschluss an eine anhand ihres Namens durchgeführte Suche angezeigt wird, mit ihrem Namen in Verbindung gebracht wird. Die Feststellung eines solchen Rechts setzt nicht voraus, dass der betroffenen Person durch die Einbeziehung der betreffenden Information in die Ergebnisliste ein Schaden entsteht.

 

97      Da die betroffene Person in Anbetracht ihrer Grundrechte aus den Art. 7 und 8 der Charta verlangen kann, dass die betreffende Information der breiten Öffentlichkeit nicht mehr durch Einbeziehung in eine derartige Ergebnisliste zur Verfügung gestellt wird, ist, wie sich insbesondere aus Rn. 81 des vorliegenden Urteils ergibt, davon auszugehen, dass diese Rechte grundsätzlich nicht nur gegenüber dem wirtschaftlichen Interesse des Suchmaschinenbetreibers, sondern auch gegenüber dem Interesse der breiten Öffentlichkeit daran, die Information bei einer anhand des Namens der betroffenen Person durchgeführten Suche zu finden, überwiegen. Dies wäre jedoch nicht der Fall, wenn sich aus besonderen Gründen – wie der Rolle der betreffenden Person im öffentlichen Leben – ergeben sollte, dass der Eingriff in die Grundrechte dieser Person durch das überwiegende Interesse der breiten Öffentlichkeit daran, über die Einbeziehung in eine derartige Ergebnisliste Zugang zu der betreffenden Information zu haben, gerechtfertigt ist.

 

98      In einer Situation wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, in der es darum geht, dass in der Ergebnisliste, die der Internetnutzer erhält, wenn er mit Google Search eine Suche anhand des Namens der betroffenen Person durchführt, Links zu Seiten des Onlinearchivs einer Tageszeitung angezeigt werden, die Anzeigen enthalten, die sich unter Nennung des Namens der betroffenen Person auf die Versteigerung eines Grundstücks im Zusammenhang mit einer wegen Forderungen der Sozialversicherung erfolgten Pfändung beziehen, ist davon auszugehen, dass die betroffene Person wegen der Sensibilität der in diesen Anzeigen enthaltenen Informationen für ihr Privatleben und weil die ursprüngliche Veröffentlichung der Anzeigen 16 Jahre zurückliegt, ein Recht darauf hat, dass diese Informationen nicht mehr durch eine solche Ergebnisliste mit ihrem Namen verknüpft werden. Da im vorliegenden Fall offenbar keine besonderen Gründe vorliegen, die ein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit daran rechtfertigten, im Rahmen einer Suche anhand des Namens der betroffenen Person Zugang zu den genannten Informationen zu erhalten – was zu prüfen jedoch Sache des vorlegenden Gerichts ist –, kann die Person nach Art. 12 Buchst. b und Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 95/46 die Entfernung der Links aus der Ergebnisliste verlangen.

 

99      Somit ist auf Frage 3 zu antworten, dass Art. 12 Buchst. b und Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 95/46 dahin auszulegen sind, dass im Rahmen der Beurteilung der Anwendungsvoraussetzungen dieser Bestimmungen u. a. zu prüfen ist, ob die betroffene Person ein Recht darauf hat, dass die Information über sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mehr durch eine Ergebnisliste, die im Anschluss an eine anhand ihres Namens durchgeführte Suche angezeigt wird, mit ihrem Namen in Verbindung gebracht wird, wobei die Feststellung eines solchen Rechts nicht voraussetzt, dass der betroffenen Person durch die Einbeziehung der betreffenden Information in die Ergebnisliste ein Schaden entsteht. Da die betroffene Person in Anbetracht ihrer Grundrechte aus den Art. 7 und 8 der Charta verlangen kann, dass die betreffende Information der breiten Öffentlichkeit nicht mehr durch Einbeziehung in eine derartige Ergebnisliste zur Verfügung gestellt wird, überwiegen diese Rechte grundsätzlich nicht nur gegenüber dem wirtschaftlichen Interesse des Suchmaschinenbetreibers, sondern auch gegenüber dem Interesse der breiten Öffentlichkeit am Zugang zu der Information bei einer anhand des Namens der betroffenen Person durchgeführten Suche. Dies wäre jedoch nicht der Fall, wenn sich aus besonderen Gründen – wie der Rolle der betreffenden Person im öffentlichen Leben – ergeben sollte, dass der Eingriff in die Grundrechte dieser Person durch das überwiegende Interesse der breiten Öffentlichkeit daran, über die Einbeziehung in eine derartige Ergebnisliste Zugang zu der betreffenden Information zu haben, gerechtfertigt ist.

 

 Kosten

 

100    Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:

 

1.      Art. 2 Buchst. b und d der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr ist dahin auszulegen, dass die Tätigkeit einer Suchmaschine, die darin besteht, von Dritten ins Internet gestellte oder dort veröffentlichte Informationen zu finden, automatisch zu indexieren, vorübergehend zu speichern und schließlich den Internetnutzern in einer bestimmten Rangfolge zur Verfügung zu stellen, sofern die Informationen personenbezogene Daten enthalten, als „Verarbeitung personenbezogener Daten“ im Sinne von Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 95/46 einzustufen ist und dass der Betreiber dieser Suchmaschinen als für diese Verarbeitung „Verantwortlicher“ im Sinne von Art. 2 Buchst. d der Richtlinie 95/46 anzusehen ist.

 

2.      Art. 4 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 95/46 ist dahin auszulegen, dass im Sinne dieser Bestimmung eine Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen der Tätigkeiten einer Niederlassung ausgeführt wird, die der für die Verarbeitung Verantwortliche im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats besitzt, wenn der Suchmaschinenbetreiber in einem Mitgliedstaat für die Förderung des Verkaufs der Werbeflächen der Suchmaschine und diesen Verkauf selbst eine Zweigniederlassung oder Tochtergesellschaft gründet, deren Tätigkeit auf die Einwohner dieses Staates ausgerichtet ist.

 

3.      Art. 12 Buchst. b und Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 95/46 sind dahin auszulegen, dass der Suchmaschinenbetreiber zur Wahrung der in diesen Bestimmungen vorgesehenen Rechte, sofern deren Voraussetzungen erfüllt sind, dazu verpflichtet ist, von der Ergebnisliste, die im Anschluss an eine anhand des Namens einer Person durchgeführte Suche angezeigt wird, Links zu von Dritten veröffentlichten Internetseiten mit Informationen zu dieser Person zu entfernen, auch wenn der Name oder die Informationen auf diesen Internetseiten nicht vorher oder gleichzeitig gelöscht werden und gegebenenfalls auch dann, wenn ihre Veröffentlichung auf den Internetseiten als solche rechtmäßig ist.

 

4.      Art. 12 Buchst. b und Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 95/46 sind dahin auszulegen, dass im Rahmen der Beurteilung der Anwendungsvoraussetzungen dieser Bestimmungen u. a. zu prüfen ist, ob die betroffene Person ein Recht darauf hat, dass die Information über sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mehr durch eine Ergebnisliste, die im Anschluss an eine anhand ihres Namens durchgeführte Suche angezeigt wird, mit ihrem Namen in Verbindung gebracht wird, wobei die Feststellung eines solchen Rechts nicht voraussetzt, dass der betroffenen Person durch die Einbeziehung der betreffenden Information in die Ergebnisliste ein Schaden entsteht. Da die betroffene Person in Anbetracht ihrer Grundrechte aus den Art. 7 und 8 der Charta verlangen kann, dass die betreffende Information der breiten Öffentlichkeit nicht mehr durch Einbeziehung in eine derartige Ergebnisliste zur Verfügung gestellt wird, überwiegen diese Rechte grundsätzlich nicht nur gegenüber dem wirtschaftlichen Interesse des Suchmaschinenbetreibers, sondern auch gegenüber dem Interesse der breiten Öffentlichkeit am Zugang zu der Information bei einer anhand des Namens der betroffenen Person durchgeführten Suche. Dies wäre jedoch nicht der Fall, wenn sich aus besonderen Gründen – wie der Rolle der betreffenden Person im öffentlichen Leben – ergeben sollte, dass der Eingriff in die Grundrechte dieser Person durch das überwiegende Interesse der breiten Öffentlichkeit daran, über die Einbeziehung in eine derartige Ergebnisliste Zugang zu der betreffenden Information zu haben, gerechtfertigt ist.

 

Unterschriften

_____________________________________________________

 

Verfahrenssprache: Spanisch.

 

_____________________________________________________

 

 

Dokumente

 

Gerichtsart Vorinstanz: 
anderes
Datum Vorinstanz: 
13. Mai 2014
Inhalt abgleichen