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Unterlassung

OLG München, Beschluss vom 28.09.2015, AZ: 18 U 169/15 Pre - Glühender Antisemit -

Ditfurth darf Elsässer keinen "glühenden Antisemiten" nennen. OLG München weist Ditfurths Berufung als offenichtlich unbegründet zurück.
Urteilstext: 

 

PDF-Dokument Orignal-Abschrift des Beschlusses

 

Oberlandesgericht München

Az.: 18 U 169/15 Pre
        25 0 14197/14 LG München I

In dem Rechtsstreit

Elsässer Jürgen,    - Adresse -
- Kläger und Berufungsbeklagter -

Prozessbevollmächtigte:
XXXX

gegen

Ditfurth Jutta,    - Adresse -
- Beklagte und Berufungsklägerin -

Prozessbevollmächtigte:
XXXX

wegen Unterlassung

erlässt das Oberlandesgericht München - 18. Zivilsenat - durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Dr. Spangler, die Richterin am Oberlandesgericht von Geldern-Crispendorf und die Richterin am Oberlandesgericht Glocker am 28.09.2015 folgenden

 

Beschluss

  1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts München l vom 10.12.2014, Aktenzeichen 25 O 14197/14, wird mit der Klarstellung zurückgewiesen, dass es in Ziffer 2. des landgerichtlichen Tenors statt „nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 27.09.2014" heißt: „nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 27.09.2014".
     
  2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
     
  3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
     
  4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird für die Zeit bis 20.5.2015 auf 15.000,00 € festgesetzt, für die Zeit ab 21.5.2015 auf 4.153,95 €.

 

Gründe:

I.

Die Parteien streiten noch über die Erstattung von Anwaltskosten und darüber, wem die Kosten der übereinstimmenden Erledigung des Rechtsstreits zu überbürden sind.

Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts München I vom 10.12.2014 Bezug genommen.

Am 10.12.2014 hat das Landgericht München I folgendes Endurteil verkündet:

  1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren zu unterlassen den Kläger als „glühenden Antisemit" zu bezeichnen, so wie in der Sendung „Kuturzeit" auf 3SAT am 17.04.2014 geschehen.
     
  2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 1.029,35 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 27.09.2014 zu bezahlen.
     
  3. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von der Rechnung des Rechtsanwaltes von Sprenger vom 04.09.2014 in Höhe von € 642,60 in Sachen Elsässer gegen Ditfurth wegen Aufforderung Abgabe Abschlusserklärung freizustellen.
     
  4. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
     
  5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags in Ziffern 2. Und 4. Gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 15.000,- in Ziffer 1 vorläufig vollstreckbar.

Das  Urteil ist der Beklagten am  15.12.2014 zugestellt worden. Mit Schriftsatzsatz vom 14.01.2014, eingegangen beim Oberlandesgericht München am selben Tag, hat die Beklagte Berufung eingelegt, die sie mit Schrittsatz vom 16.03.2015, eingegangen beim Oberlandesgericht
München am selben Tag, begründet hat, nachdem die Berufungsbegründungsfrist auf den am 09.02.2015 eingegangene Antrag bis 16.03.2015 verlängert worden war.
Mit Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 16.03.2015 an den Klägervertreter (Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 09.04.2015) wurde folgende Erklärung abgegeben:

„Um die Auseinandersetzung auf den Kern zu konzentrieren, darf ich für meine Mandantin - ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, aber rechtsverbindlich - folgendes erklären:

Sie verpflichtet sich gegenüber Ihrem Mandanten, es bei Meidung einer für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung von Ihrem Mandanten festzusetzenden und im Streitfall vom zuständigen Landgericht zu überprüfenden Vertragsstrafe es zu unterlassen, Ihren Mandanten als „glühenden" Antisemiten zu bezeichnen, behält sich aber ausdrücklich vor, ihn im Zusammenhang seinen Äußerungen und politischen Aktionen und Verbindungen weiterhin als Antisemiten und seine Äußerungen als antisemitisch zu bezeichnen."

Mit Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 05.05.2015 an den Klägervertreter (Bl. 179 d.A.) wurde - nachdem der Klägervertreter Bedenken hinsichtlich der Formulierung der Unterlassungsverpflichtungserklärung vom 16.03.2015 angemeldet hatte - folgende Erklärung abgegeben:

„ ... Ich wiederhole die Ihrem Wunsch entsprechend abgeänderte Unterlassungsverpflichtungserklärung wie folgt:

Meine Mandantin verpflichtet sich gegenüber Ihrem Mandanten, es bei Meidung einer für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung von Ihrem Mandanten festzusetzenden und im Streitfall vom zuständigen Gericht zu überprüfenden Vertragsstrafe es zu unterlassen, Ihren Mandanten als „glühenden" Antisemiten zu bezeichnen, behält sich aber ausdrücklich vor, ihn im Zusammenhang seinen Äußerungen und politischen Aktionen und Verbindungen weiterhin als Antisemiten und seine Äußerungen als antisemitisch zu bezeichnen."

Ich denke schon, dass diese Erklärung aus sich heraus verständlich ist. Die Unterlassungsverpflichtungserklärung beschränkt sich auf das Beiwort „glühender".

Aus meiner Sicht müsste diese Unterlassungsverpflichtungserklärung die Wiederholungsgefahr hinsichtlich dieses Zusatzes ausräumen und im Falle der Annahme insoweit zu einer teilweisen Erledigung der Hauptsache führen."

Mit Schriftsatz vom 20.05.2015 (Bl. 185/186 d.A.) erklärte der Kläger Ziffer 1. des landgerichtlichen Urteils für erledigt. Dem stimmte die Beklagte mit Schriftsatz vom 01.06.2015 (Bl. 188/191 d.A.) zu.

Wegen des Berufungsvorbringens der Beklagten wird auf die Schriftsätze vom 13.03.2015 (Bl.122/146 d. A.), vom 17.04.2015 (Bl. 155 d. A.), vom 05.05.2015 (Bl. 179/180 d. A.), vom 12.05.2015 und 15.05.2015 (Bl. 182/183 und 184/185 d. A), vom 01.06.2015 (Bl. 188/191 d. A.}, vom 15.06.2015 (Bl. 196/197 d. A.) und vom 31.08.2015 (Bl. 214/232 d. A.) nebst Anlagen verwiesen.

Die Beklagte stellt die Anträge gemäß Schriftsätzen vom 13.03.2015 (Bl. 122 d. A.) und 01.06.2015 (Bl. 188 d.A.).

Der Kläger stellt die Anträge gemäß Schriftsätzen vom 24.04.2015 (Bl. 157 d. A.) und 20.05.2015 (Bl. 185 d.A.).

Hinsichtlich des Vorbringens des Klägers in der Berufungsinstanz wird auf die Schriftsätze vom 09.04.2015 (Bl. 153/154 d. A.), vom 24.04.2015 (Bl. 157/175 d. A.), vom 04.05.2015 (Bl. 176 d.A), vom 07.05.2015 (Bl. 178/180 d. A.), vom 20.05.2015 (Bl. 185/186 d. A.)T vom 01.06.2015 und 09.06.2015 (Bl. 192 und 193/195 d. A.) und vom 03.09.2015 (Bl. 233/237 d.A.) verwiesen.

II.

Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 10.12.2014, Aktenzeichen 25 O 14197/14, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Hinsichtlich der Klarstellung betreffend den Zinsausspruch in Ziffer 2. des Tenors wird auf den Beschluss des BGH vom 07.02.2013 -VII ZB 2/12 Bezug genommen.

1.

Nach einstimmiger Auffassung des Senats hat das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.

Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats Bezug genommen. Auch die Ausführungen in den Gegenerklärungen geben zu einer Änderung keinen Anlass.

1.1

Die Beklagte kritisiert zwar wortreich die vom Landgericht und vom Senat für die Definition des Begriffs "Antisemit" herangezogenen Quellen, aber soweit ersichtlich nicht die Auslegung des Begriffs selbst. Der Senat geht weiterhin davon aus, dass die von ihm vorgenommene Auslegung dem allgemeinen Sprachgebrauch entspricht und daher vom "Durchschnittszuschauer" auch dann geteilt wird, wenn dieser die zitierten Lexika nicht kennt.

1.2

Die Ausführungen der Beklagten zu dem Beiwort "glühend" erscheinen nicht nachvollziehbar, insbesondere was den Unterschied zwischen "glühen" und "brennen" betrifft.

 a)

Die Bezeichnung einer Weltanschauung als "brennend" ist im Deutschen so wenig gebräuchlich, dass sich der Schluss, mit der Bezeichnung "glühender Antisemit" statt "brennender Antisemit" sei gewissermaßen ein Antisemit mittlerer Ausprägung gemeint, ebenso verbietet wie die Annahme, die Bezeichnung betreffe allein die innere Einstellung, die nicht notwendig nach außen dringen müsse. Letztere Auslegung erscheint auch deshalb fernliegend, weil eine nach außen nicht zu Tage tretende innere Einstellung Dritten wie der Beklagten nicht bekannt werden könnte, und von der Beklagten folglich auch weder festgestellt noch bewertet werden könnte.

b)

Nach Angabe der Beklagten wollte sie mit dem Beiwort "glühend" zum Ausdruck bringen, dass der Kläger kein "simpler, sozusagen durchschnittlicher Alltags-Antisemit" sei, sondern "ein Verbreiter antisemitischer Stichworte von erheblicher Raffinesse". Dies war aber für den maßgeblichen durchschnittlichen Zuhörer nicht erkennbar; das Beiwort "glühend" bezeichnet unmissverständlich die Intensität des Antisemitismus des Klägers, nicht aber die Intelligenz oder Raffinesse, mit der der Kläger seine Weltanschauung ausdrückt.

c)

Das ergibt sich auch aus dem Kontext des streitgegenständlichen Interviews. Darin erklärt die Beklagte bereits auf die erste Frage der Moderatorin, dass sie sich bemühe, aufklärend gegen rechtsgerichtete Propaganda im Rahmen der Friedensdemonstrationen zu wirken und zu diesem Zweck an gefangen habe, alle diejenigen "zu entfreunden und zu entliken", die sowohl auf ihrer Facebook-Seite waren als auch "bei ... den Facebook-Seiten von Jürgen Elsässer, Ken Jebsen oder Lars Mährholz" (S. 1 der Mitschrift, Anlage K1). Dadurch kommt zum Ausdruck, dass die Beklagte die drei Genannten zu den rechten Propagandisten zählt, gegen die sie aufklären möchte. Auf die weitere Frage, wie sie die Spreu vom Weizen trenne, erläutert die Beklagte die von den faschistischen Kreisen verwendeten "neuen Begriffe" bzw. "Codes" und schildert beispielhaft eine Rede, in der Lars Mährholz solche Codes verwendet habe (S. 2 der Mitschrift). Auf die Frage, wer hinter der Bewegung stecke, nennt die Beklagte sodann außer Ken Jebsen, den sie als Propagandisten und Radiomacher bezeichnet, und Lars Mährholz, den "Organisator dieser Friedensdemos", auch den Kläger, von dem sie als einzigem sagt, er sei "glühender Antisemit und Schwulenfeind" (S. 3 oben der Mitschrift). Im weiteren Verlauf des Interviews erklärt die Beklagte ohne Bezugnahme auf einzelne Personen, welche Gruppen und Organisationen - neben der "klassischen" Friedensbewegung - zur Teilnahme an der Friedensdemonstration am bevorstehenden Ostermontag aufrufen, und dass deren gemeinsamer Grundkonsens bei aller sonstigen Verschiedenheit der Antisemitismus sei; sie beschreibt ferner Reaktionen auf ihr eigenes Vorgehen im Internet.

Auch wenn dem Hörer an der Stelle, an der die streitgegenständliche Äußerung fällt, der Anfang des Interviews noch präsent ist, muss er aus dem Umstand, dass die Beklagte Mährholz, dem sie ausdrücklich die Verwendung antisemitischer "Codes" in einer Rede vorwirft, nicht als Antisemiten bezeichnet, den Kläger aber sogar als "glühenden Antisemiten", schließen, dass der Antisemitismus des Klägers ausgeprägter ist als der Mährholz' und Jebsens und sich folglich - anders als bei Mährholz - gerade nicht durch "kluges, überlegtes Setzen antisemitisch zu verstehender Codes" und "subtile Vorgehensweise" auszeichnet, sondern sich deutlicher äußert.

1.3

Dafür sieht der Senat nach wie vor keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte.

a)

Dabei ist unberücksichtigt zu lassen, dass die Beklagte am 21.05.2014 folgenden Facebook-Eintrag vornahm (vgl. Anlage K6):

„Die Akte Elsässer"
Der Neurechte Elsässer verklagt Jutta Diffurth Fb-Freundlnnen, die über Infos und Materialien zu Jürgen Elsässers Antisemitismus verfügen, bitte ich herzlich, mir solches möglichst HEUTE zuzusenden - am liebesten via e-mail, aber auch via PN bei Facebook. Lieben Dank! Natürlich werde ich das ganze Material am Ende dann zusammenstellen und allen, die mir geholfen haben, zur Verfügung stellen. Elsässer hat also einen dicken Fehler gemacht ...

Zwar könnte aus dem Eintrag der Beklagten geschlossen werden, dass sie am 21.05.2014 - mehr als einen Monat nach dem Interview in der „Kulturzeit" -  die Tatsachengrundlage, auf Grund derer sie die streitgegenständliche Äußerung am 17.04.2014 tätigte, für ergänzungsbedürftig hielt. Sie war aber nicht gehalten, im Rahmen der Äußerung am 17.04.2014 Tatsachen zu benennen, auf die sie die Wertung stützte. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Beschluss vom 11.05.1975 -1 BvR 163/72 - Deutschland-Stiftung (NJW 1976, 1680) stellt es eine überhöhte, mit Art. 5 GG nicht vereinbare Anforderung an die Zulässigkeit von Kritik im öffentlichen Meinungskampf dar, wenn die Zulässigkeit ehrverletzender wertender Äußerungen im politischen Meinungskampf ohne Rücksicht auf die dargelegten Umstände schlechthin an die Voraussetzung gebunden wird, dass dem Publikum gleichzeitig Tatsachen mitgeteilt werden, die ihm eine kritische Beurteilung der Wertung ermöglichen.

b)

Der Beklagten ist zuzugeben, dass sich antisemitisch äußert, wer von jüdischer Weltverschwörung spricht. Der Senat zieht auch nicht in Zweifel, dass es antisemitische Personen und Gruppen geben mag, die mit Wörtern wie "Federal Reserve", "Finanzoligarchie an der amerikanischen Ostküste" oder gar nur "Ostküste" auf die angebliche jüdische Weltverschwörung anspielen. Er hält aber den Rückschluss für unzulässig, dass jeder, der diese Ausdrücke benützt, zu den genannten Personen gehört und die Ausdrücke folglich mit der erwähnten antisemitischen Konnotation benutzt. Auch legt der Umstand, dass jemand sich nie explizit antisemitisch, wohl aber wiederholt gegen den Antisemitismus äußert, weit eher den Schluss nahe, dass er eben kein Antisemit ist, als den von der Klägerin gezogenen Schluss, dass er gerade deswegen ein besonders gefährlicher Antisemit sei, der seine Einstellung nur geschickt verschleiere.

c)

Aus dem Beklagtenvortrag lässt sich eine Zustimmung des Klägers zu antisemitischen Äußerungen Jebsens nicht entnehmen.

Aus den erstmals im Berufungsverfahren vorgelegten Anlagen CBH6, CBH7 und CBH8, die berücksichtigt werden können, weil ihr Inhalt als solcher nicht bestritten wird, ist ersichtlich, dass Jebsen wohl zweimal zusammen mit dem Kläger bei Veranstaltungen der Zeitschrift Compact auftrat, nämlich im April 2012 zum Thema Medien mit Schwerpunkt "Political Correctness" (CBH 6 und 8) und am 15.8.2013 zum Thema Überwachung durch US-Geheimdienste ("Big Brother USA hält Deutschland besetzt", CBH7,vorletzte und letzte Seite). Beide Veranstaltungen werden als Streitgespräche angekündigt. Die Anerkennung für Jebsen, die in den vorgelegten Texten des Klägers ausgedrückt wird, bezieht sich ersichtlich auf die Redegabe und den Kampfgeist Jebsens und nicht auf antisemitische Äußerungen, die, wie der Kläger unwiderlegt vorträgt, während der Gespräche nicht gefallen sind und von denen er auch sonst keine Kenntnis hatte. Die in den Anlagen CBH6 und CBH7 er wähnte Auseinandersetzung Jebsens mit Henryk Broder bezieht sich soweit ersichtlich auf den Umstand, dass Jebsen Broder für seien Entlassung beim Radiosender RBB verantwortlich macht, nicht aber auf politische Themen. Entsprechendes gilt für die ausweislich des Anlagenkonvoluts CBH7 von Jebsen angekündigten Gespräche mit dem Kläger am 1.5.2012 und 14.3.2013.

Dass zwei Journalisten wie der Kläger und Jebsen im Zeitraum von 17 Monaten viermal zu öffentlichen   Diskussionen zusammentreffen, ist im Übrigen kein Beleg für eine besonders enge Zusammenarbeit.

Das Beklagtenvorbringen zu dem nun als Anlage CBH10 in Mitschrift vorgelegten Vortrag Jebsens einschließlich der Behauptung und des Beweisangebots zur Kenntnis des Klägers von diesem Vortrag ist im Berufungsverfahren nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen, da die verspätete Geltendmachung dieses Verteidigungsmittels auf Nachlässigkeit der Beklagten beruht. Die Beklagte trägt selbst vor, sie habe von dem Vortrag Ende Juli 2014 erfahren, also noch vor Zustellung der Klage am 07.08.2014. Auch wenn sie zu diesem Zeitpunkt noch über keinen Mitschnitt verfügte, ist nicht ersichtlich, dass ihr die Wiedergabe des ungefähren Inhalts nicht vor Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz möglich gewesen wäre, erst recht die Behauptung, dass der Kläger „selbstverständlich" den Vortrag bereits im Jahr 2012 gekannt habe, und das zugehörige Beweisangebot. Hierbei handelt es sich im Übrigen um eine in Blaue hinein aufgestellte Behauptung, da die Klägerin von dem Vortrag nach eigenen Angaben ja selbst erst zwei Jahre später erfahren hat.

d)

Auch das Vorbringen zur Teilnahme des Klägers an der Konferenz "Let the Earth live" im Dezember 2009 und an der "Anti-Zensur-Konferenz" am 26.7.2014 ist nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen. Dieses Vorbringen ist neu, da es erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz eingeführt wurde. Gründe, die eine Zulassung ausnahmsweise rechtfertigen würden, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

e)

Hinsichtlich der Äußerungen des Klägers zu dem Film "Tal der Wölfe" wird auf die Ausführungen in dem Hinweisbeschluss des Senats verwiesen. Die Beklagte setzt insoweit nur ihre eigene Ansicht gegen die Wertung des Senats.

f)

Entsprechendes gilt für die Ausführungen zu dem Privatgutachten der Frau Prof. Dr. Dr. Schwarz-Friesel, das als qualifiziertes Parteivorbringen zu werten ist, da sich die Beklagte mit Schriftsatz vom 01.06.2015 die darin enthaltenen Behauptungen und Wertungen zu Eigen gemacht hat.

Das Gutachten besteht, soweit es sich konkret auf den Kläger bezieht, überwiegend aus Interpretationen von aus dem Zusammenhang gerissenen Äußerungen des Klägers durch die Verfasserin, die nicht überprüfbar und teilweise für sich genommen nicht nachvollziehbar sind. So wird Kritik am "Finanzkapitalismus" häufig auch von des Antisemitismus nicht verdächtiger Seite geäußert. Der Ausdruck „Finanzkapitalismus" wurde am Anfang des 20. Jahrhunderts von dem der USPD und später der SPD angehörenden Sozialwissenschaftler, Politiker und Publizisten Hilferding im Rahmen seiner Imperialismus-Theorie geprägt. Er bezeichnet das in wenigen Händen (z. B.Großbanken) konzentrierte Geldkapital, das zur politischen und wirtschaftlichen Beeinflussung, besonders zur machtpolitischen  Beherrschung großer Konzerne, ganzer Wirtschaftsgruppen oder zur politischen Beeinflussung von Regierungen dient und oft internationalen Charakter hat (Brockhaus a.a.O. Band 7 Seite 304 und Band 10 Seite 75). Der Umstand, dass Personen oder Organisationen diesem volkswirtschaftlichen Begriff eine antisemitische Konnotation beigemessen haben und noch beimessen, bedeutet nicht, dass der Begriff nicht mehr in seinem ursprünglichen Sinn im Rahmen der Kritik an einer Wirtschaftsform verwendet werden kann, sondern jede Verwendung Zeichen einer antisemitischen Gesinnung ist. Die Auffassung, der Kläger müsse etwa mit den von ihm - wie von vielen anderen - als "Heuschrecken" bezeichneten Hedge-Fonds oder Private-Equity-Fonds in Wahrheit Juden gemeint haben, erscheint völlig fernliegend. Im Übrigen wird auf die Ausführungen oben unter 1.3.b) zu den vom Kläger angeblich verwendeten Codes Bezug genommen.

Einträge Dritter im Blog des Klägers sind nicht mit eigenen Äußerungen des Blogbetreibers gleichzusetzen. Dieser macht sich die Äußerungen auch nicht ohne Weiteres dadurch zu Eigen, dass er sie nicht umgehend entfernt. Unter welchen Voraussetzungen der Betreiber einer Internetplattform verpflichtet ist, rechtswidrige Beiträge Dritter von dort zu entfernen, ist im Übrigen eine umstrittene Frage.

1.4

Die Tatsache, dass die Auflage der vom Kläger herausgegebenen Zeitschrift COMPACT zwischen Januar und September 2014 erheblich gestiegen ist, spricht nicht gegen die vom Senat angenommene Prangerwirkung der streitgegenständlichen Äußerung der Beklagten.

2.

Der Senat ist an der Zurückweisung der Berufung auch nicht nach § 522 Abs. 2 Nr. 2, 3 und 4 ZPO gehindert, weil der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.

Die vorliegende Entscheidung richtet sich nach der ständigen, auch in neuen Entscheidungen bestätigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, wonach eine Äußerung, die das Persönlichkeitsrecht erheblich beeinträchtigt, auf eine ausreichende tatsächliche Grundlage gestützt sein muss, auch wenn sie ein Werturteil darstellt. Eine solche Meinungsäußerung ist danach unzulässig, wenn sie keine Anknüpfungspunkte im Verhalten des Betroffenen hat (EGMR, Urteil vom 18.2.2014, AfP 2015, 30, 32 m.w.N.; BVerfG, Beschluss vom 11.12.2013 - 1 BvR 194/13 - NJW 2014, 764 und vom 11.11.1992 - 1 BvR 693/92 - NJW 1993, 1845 BGH, Urteil vom 18.6.1974 - VI ZR 16/73 - NJW 1974, 1762 "Deutschlandstiftung").

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97, 91a ZPO.

Soweit der Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt wurde, war über die Kosten gemäß § 91a ZPO nach billigem Ermessen zu entscheiden. Die Kosten wurden der Beklagten auferlegt, da sie ohne die übereinstimmende Erledigungserklärung auch insoweit unterlegen wäre. Der Kläger hatte jedenfalls bis zur Abgabe der Unterlassungserklärung gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung der streitgegenständlichen Äußerung aus § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog, § 823 Abs. 1 BGB, Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, weil er dadurch rechtswidrig in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt wurde und Wiederholungsgefahr bestand. Zur Begründung wird auf die Ausführungen im Hinweisbeschluss vom 28.7.2015 und oben unter 2. Bezug genommen.

Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß § 708 Nr. 10 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung des § 3 ZPO bestimmt. Er richtet sich bis zur Erledigungserklärung des Klägers nach dessen Interesse an der Unterlassung der streitgegenständlichen Äußerung; die vorgerichtlichen Kosten bleiben als Nebenforderungen nach § 4 Abs. 1 2.HS ZPO außer Betracht. Nach Eingang der Erledigungserklärung setzt sich der Streitwert zusammen aus dem Kosteninteresse hinsichtlich des für erledigt erklärten Teils der Hauptsache und aus den bezifferten vorgerichtlichen Kosten, die von da an nicht mehr als Nebenforderungen geltend gemacht werden.

gez.

Dr. Spangler                       von Geldern-Crispendorf        Glocker
Vorsitzende Richterin      Richterin                                   Richterin
am Oberlandesgericht     am Oberlandesgericht             am Oberlandesgericht

 

 

 

Gerichtsart Vorinstanz: 
LG
Gerichtsort Vorinstanz: 
München
Datum Vorinstanz: 
10. Dezember 2014
Aktenzeichen Vorinstanz: 
25 O 14197/14

Landgericht Essen, Urteil vom 5 Juni 2014, AZ.: 4 O 107/14 - Videoberichterstattung über Opfer einer Straftat

LG Essen, Veröffentlichung von Videoaufnahmen von Opfern einer Straftat können zulässig sein
Urteilstext: 

Landgericht Essen

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

 

In dem Rechtsstreit

hat die 4. Zivilkammer des Landgerichts Essen
auf die mündliche Verhandlung vom 05.06.2014
durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht ... , die Richterin am Landgericht ... und den Richter ...
für Recht erkannt:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung In Höhe von 110 % des gegen den Kläger zu vollstreckenden Betrages.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen eine Verbreitung einer Videoaufzeichnung zu seiner Person.

Der Kläger ist beruflich im Personenschutz tätig und Geschäftsführer der …

Die Beklagte ist eine Fernsehproduktionsgesellschaft im Bereich der Sensationspresse. Sie verbreitet Filmmaterial u.a. im Internet unter … und auf einem YouTube-Kanal (”…”). Sie gibt die von ihr gefertigten Aufnahmen auch an Fernsehsender weiter.

Am 11.11.2013 führte der Kläger eine Observierung im Bereich des Unterbacher Sees in Düsseldorf durch. Er war hierbei in seinem Dienstfahrzeug unterwegs. Der Kläger wurde von einem unbekannten Täter überfallen. Er alarmierte die Polizei, die sich kurz nach dem Überfall gemeinsam mit der Feuerwehr am Tatort einfand. Im weiteren Verlauf fand sich auch der Geschäftsführer der Beklagten mit einem Filmteam ein und fertigte vom Tatort und den dort anwesenden Personen Videoaufnahmen. Am 12.11.2013 verbreitete die Beklagte die Videoaufnahmen über ihren o.g. Youtube-Kanal. Dabei ist auch der Kläger unverpixelt zu sehen, und zwar von hinten und im Profil.

Ab dem 12.11.2013 wurden Ausschnitte bzw. Fotos aus der streitgegenständlichen Aufnahme bundesweit in Zeitungen und auch im lokalen Fernsehen gezeigt.

Der Kläger hat zu keinem Zeitpunkt in die Veröffentlichung der Videoaufnahme eingewilligt.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 19.12.2013 forderte der Kläger die Beklagte zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung sowie dazu auf, das Video zu löschen und nicht länger zugänglich zu machen. Das vorgenannte Schreiben ging der Beklagten per Fax am 19.12.2013 zu. Am 20.11.2013 löschte die Beklagte das Video im vorgenannten Youtube-Kanal.

Mit Fax-Schreiben vom 23.12.2013 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie das Video zwar gelöscht habe, die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung indes ablehne.

Der Kläger behauptet, die Beklagte sei bereits wenige Minuten nach der Polizei am Tatort eingetroffen und sei von dieser erfolglos aufgefordert worden, die Filmaufnahmen zu unterlassen. Er sei in dem auf Youtube abrufbaren Video erkennbar gewesen, ebenso wie das Autokennzeichen des von ihm genutzten PKW. Sein Auftraggeber habe ihn an Hand des Videos identifiziert und ihm deshalb zunächst keine weiteren Aufträge mehr erteilt. Der Kläger vertritt die Auffassung, die Veröffentlichung der Videoaufnahme verletze ihn in seinem Recht am eigenen Bild. Die Beklagte habe gegen § 22 KUG verstoßen. Die für einen Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr sei durch die rechtswidrige Erstbegehung indiziert.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000,00 €; Ordnungshaft insgesamt höchstens 2 Jahre) zu unterlassen,

1. diejenigen Passagen der streitgegenständliche Videoaufnahme vom 11.11.2013, in denen der Kläger zu sehen, öffentlich zugänglich zu machen, insbesondere im Internet;

2. die vorgenannte Videoaufzeichnung an Dritte weiterzugeben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, ihr Filmteam sei erst ca. 45 min. nach der Polizei am Tatort eingetroffen und sei daher bei Anfertigung der Filmaufnahmen davon ausgegangen, dass sich das Opfer des Überfalls nicht mehr am Tatort befinde. Die Beklagte meint, dass eine Einwilligung des Klägers in die Veröffentlichung der Aufnahme jedenfalls nicht erforderlich gewesen sei. Die Bildberichterstattung sei gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 und 2 KUG zulässig gewesen. Der Überfall vom 11.11.2013 sei ein zeitgeschichtliches Ereignis. Jedenfalls sei der Kläger nur als Beiwerk einer Örtlichkeit abgebildet. Schließlich sei der Kläger auch lediglich in seiner Sozialsphäre betroffen.

 

Entscheidungsgründe

Dem Kläger stehen gegen die Beklagte keine Unterlassungsansprüche aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog i.V.m. §§ 22 f. KUG iV.m. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG zu.

Zwar ist der Kläger auf den Aufnahmen im Sinne des § 22 KUG erkennbar und hat auch nicht in die Veröffentlichung eingewilligt. Er ist jedoch durch den Vorfall vom 11.11.2013 zu einer relativen Person der Zeitgeschichte geworden, so dass die streitgegenständlichen Aufnahmen gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG auch ohne seine Einwilligung verbreitet werden durften; die Interessenabwägung gemäß § 23 Abs. 2 KUG fällt zu Lasten des Kläger aus.

Der Kläger ist auf den Videoaufnahmen erkennbar im Sinne des § 22 KUG. Für die Erkennbarkeit kommt es nicht auf das Verständnis eines Durchschnittslesers- oder Zuschauers an. Vielmehr genügt es, wenn der Betroffene begründeten Anlass hat anzunehmen, er könnte erkannt werden. Hierfür reicht die Erkennbarkeit innerhalb eines mehr oder minder großen Bekanntenkreises aus. Die Identifizierbarkeit im engeren Familien- und Freundeskreis genügt hingegen nicht; die Erkennbarkeit muss mindestens für einen Personenkreis vorhanden sein, den der Betroffene nicht mehr ohne weiteres selbst unterrichten kann. Für die Erkennbarkeit genügt es, wenn der Abgebildete, mag auch sein Gesicht kaum oder gar nicht erkennbar sein, durch Merkmale, die sich aus dem Bild selbst ergeben und die gerade ihm eigen sind, erkennbar ist, oder wenn seine Person durch den beigegebenen Text oder durch den Zusammenhang mit früheren Veröffentlichungen erkannt werden kann. Entscheidend für den Bildnisschutz ist der Zweck des § 22 KUG, die Persönlichkeit davor zu schützen, gegen ihren Willen in Gestalt der Abbildung der Öffentlichkeit vorgestellt und so für andere verfügbar gemacht zu werden. Der besonderen Gefährdung persönlichkeitsrechtlicher Interessen, die mit der Verbreitung oder öffentlichen Schaustellung von Personenbildern verbunden ist, trägt die Rechtsprechung im Rahmen des § 22 KUG dadurch Rechnung, dass sie zu Gunsten des Anonymitätsinteresses des Betroffenen sehr geringe Anforderungen an die Erkennbarkeit stellt (vgl. BVerfG, NJW 2004, 3619; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 28. Juli 2004, 6 U 39/04, NJW-RR 2004, 1633; LG Hamburg, Urteil vom 24. Januar 2014, 3240 264/11, zitiert nach juris).

Gemessen an diesem Maßstab ist der Kläger hinreichend identifizierbar und damit erkennbar. Für die genannten Bilder besteht eine hinreichende Möglichkeit, dass der Kläger von dem beschriebenen Personenkreis und nicht nur im engen Familien- oder Freundeskreis erkannt werden kann. Dies ergibt sich bereits daraus, dass er in einzelnen Sequenzen der Videoaufnahme wiederholt unverdeckt von der Seite zu sehen ist. Die genannten Sequenzen lassen den Betrachter die Gesichtszüge des Klägers, seinen Haarschnitt und teilweise seine Körperhaltung erkennen und ermöglichen durch die VViedergabe dieser charakteristischen Merkmale seine Identifizierung. Der Kläger ist auch weder aus übermäßiger Entfernung noch besonders verschwommen oder klein abgebildet. Auch geht der Kläger nicht in einer großen, unüberschaubaren Personengruppe unter. Vielmehr ist er sichtbarer Teil der Geschehnisse am Tatort, namentlich Teil einer abgesondert hinter einem Polizeiwagen stehenden Gruppe von drei Personen.

Der Kläger hat in die Veröffentlichung der Videoaufnahmen nicht eingewilligt.

Er ist jedoch durch den Vorfall vom 11.11.2013 als Opfer und zugleich Zeuge einer nicht alltäglichen Straftat zu einer relativen Person der Zeitgeschichte geworden, so dass die streitgegenständlichen Aufnahmen gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG auch ohne seine Einwilligung verbreitet werden durften.

§ 23 KUG bestimmt, wann die Veröffentlichung eines Bildnisses auch ohne Zustimmung des Abgebildeten erlaubt ist. Die Vorschrift beschränkt den Schutzumfang des Rechts am eigenen Bild im Interesse der Allgemeinheit an einer visuellen Information über das Zeitgeschehen. Soweit einer der in § 23 Abs. 1 KUG genannten Tatbestände erfüllt ist, sind Herstellung und Veröffentlichung eines Abbildung zulässig, sofern nicht ein vorrangiges berechtigtes Interesse des Abgebildeten entgegensteht (§ 23 Abs. 2 KUG).

Im Unterschied zur sogenannten absoluten Person der Zeitgeschichte treten relative Personen der Zeitgeschichte nur im Zusammenhang mit einem bestimmten zeitgeschichtlichen Ereignis vorübergehend aus der Anonymität und in das Blickfeld der Öffentlichkeit. Das Informationsinteresse beschränkt sich hier auf das Geschehen, das den Betreffenden zur Person der Zeitgeschichte macht, wobei unerheblich ist, ob der Abgebildete bewusst oder wider Willen das Informationsinteresse der Öffentlichkeit auf sich zieht.

Bereits bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals des Vorliegens eines Bildnisses “aus dem Bereich der Zeitgeschichte” i. S. von § 23 Abs. 1 KUG ist Rücksicht auf das Informationsinteresse der Allgemeinheit und auf die Pressefreiheit zu nehmen und sind daher die Belange der Öffentlichkeit zu beachten (vgl. BVerfG, NJVV 2006, 3406, 3407 f). Dies erfordert eine Abwägung der widerstreitenden Rechte und Grundrechte der abgebildeten Person aus den Artikeln 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG, Art. 8 EMRK einerseits und der Presse aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK andererseits schon bei der Zuordnung zum Bereich der Zeitgeschichte (vgl. OlG Köln, Urteil vom 26. März 2013, 1-15 U 149/12, zitiert nach juris). Der Beurteilung ist dabei ein normativer Maßstab zugrunde zu legen, welcher der Pressefreiheit und zugleich dem Schutz der Persönlichkeit und ihrer Privatsphäre ausreichend Rechnung trägt (vgl. BGH, VersR 1996, 341 f.). Maßgebend ist hierbei das interesse der Öffentlichkeit an vollständiger Information über das Zeitgeschehen. Der Begriff des Zeitgeschehens in § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG ist dabei zugunstender Pressefreiheit zwar in einem weiten Sinn zu verstehen, doch ist das Informationsinteresse nicht schrankenlos. Vielmehr wird der Einbruch in die persönliche Sphäre des Abgebildeten durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt, so dass eine Berichterstattung keineswegs immer zulässig ist. Wo konkret die Grenze für das berechtigte Informationsinteresse der Öffentlichkeit an der aktuellen Berichterstattung zu ziehen ist, lässt sich nur unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls entscheiden (vgl. zum Ganzen: OLG Köln, Urteil vom 26. März 2013,1-15 U 149/12, zitiert nach juris).

Bei den im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung heranzuziehenden Kriterien ist zum einen der Aspekt bedeutsam, ob das Erscheinen von Fotos oder Artikeln in der Presse einen Beitrag zu einer Auseinandersetzung von allgemeiner Bedeutung leistet, wobei sich dieser thematische Bezug nicht auf Vorgänge von historisch-politischer Relevanz oder auf spektakuläre und ungewöhnliche Vorkommnisse beschränkt, sondern alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse, etwa unterhaltender Art umfasst, wie beispielsweise Sport oder das Verhalten prominenter Persönlichkeiten. Von Bedeutung ist ferner die Rolle oder Funktion der betroffenen Person und die Art ihrer Tätigkeit, die abgelichtet oder über die berichtet wird. Während eine der Öffentlichkeit unbekannte Privatperson einen besonderen Schutz ihres Rechts auf Privatleben verlangen kann, gilt das nicht in gleichem Maß für Personen des öffentlichen Lebens. Als weiteres, in die Abwägung einzubeziehendes Kriterium ist das Verhalten der betroffenen Person vor der Veröffentlichung der Berichterstattung zu würdigen, wobei indes allein die Tatsache, dass die betroffene Person zuvor mit der Presse zusammengearbeitet hat, nicht geeignet ist, ihr jeglichen Schutz gegen die Veröffentlichung des fraglichen Beitrags oder des fraglichen Fotos zu entziehen. Einzubeziehen sind schließlich ebenfalls Inhalt, Form und Auswirkungen der Veröffentlichung sowie die. Umstände, unter denen das Foto aufgenommen wurde (vgl. zum Ganzen: OLG Köln, Urteil vom 26. März 2013,1-15 U 149/12, zitiert nach juris).

Nach den dargestellten Grundsätzen liegt ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte i.S.d. § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG vor. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung bestand ein öffentliches Interesse an der Kenntnis der beanstandeten Aufnahmen. Bei dem Überfall auf den Kläger handelt es sich nicht um eine Tat aus dem Bereich der Kleinkriminalität, sondern um eine nicht alltägliche, durchaus spektakuläre Straftat. Die Berichterstattung über solche Straftaten, namentlich auch über Hergang, Tatort und Tatfolgen, erfüllt ein allgemeines Informationsinteresse.

Die Veröffentlichung erfolgte auch im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Geschehen. Sie erfolgte hier ab dem 12.11.2013, d .h. einen Tag nach dem Vorfall. Darüber hinausgehend war der Berichterstattung der Beklagten zumindest für den Zeitraum von einigen Wochen Aktualität zuzubilligen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Überfall nach dem Vortrag des Klägers nicht unmittelbar aufgeklärt werden konnte.

Voraussetzungen, unter denen nach § 23 Abs. 2 KUG die Veröffentlichung des Bildnisses aus dem Bereich der Zeitgeschichte unzulässig sein können, liegen nicht vor. Die Veröffentlichung der Videoaufnahme verletzt die berechtigten Interessen des Klägers nicht. Er genießt als Opfer einer Straftat, das aufgrund des Vorfalls vom 11.11.2013 auch nur zufällig ins öffentliche Interesse gerückt ist, zwar besonderen Schutz. Die Videoaufnahme ist für ihn indes nicht abträglich; sie zeigt ihn insbesondere nicht in einer Situation, in der es unschicklich wäre, einen Menschen genauer zu betrachten (vgl. OLG Hamburg, Urteil vom 21.10.2008, 7 U 11/08, zitiert nach juris). Der Kläger wird namentlich nicht in einem erkennbaren emotionalen Ausnahmezustand gezeigt wird. Es ist nicht ersichtlich, dass er verletzt, hilflos, emotional außer sich oder anderweitig unkontrolliert wäre. Auch springt nicht auf den ersten Blick ins Auge, dass es sich ausgerechnet bei dem Kläger um das Tatopfer handelt, zumal noch zwei weitere Personen am Tatort Zivilkleidung tragen. Schließlich liegen auch keine sonstigen Umstände in der Berichterstattung der Beklagten vor, durch die der Kläger lächerlich gemacht oder verspottet werden würde.

Durch die Veröffentlichung der Videoaufnahme wird auch nicht in die geschützte Privatsphäre des Klägers eingegriffen. Der Schutz der Privatsphäre lässt sich thematisch und räumlich bestimmen. Er umfasst zum einen Angelegenheiten, die wegen ihres Informationsgehalts typischerweise als privat eingestuft werden, weil ihre Zurschaustellung als unschicklich gilt, das Bekanntwerden als peinlich empfunden wird oder nachteilige Reaktionen der Umwelt auslöst. Zum anderen erstreckt sich der Schutz auf einen Rückzugsbereich, in dem der Einzelne zu sich kommen, sich entspannen oder auch sich gehen lassen kann (vgl. zum Ganzen: Wandte/ßullinger, UrhR, 3. Auf!., S. 2105 Rn. 35 m.w.N.). Der Kläger ist hier während der Ausübung seines Berufes an einem öffentlich zugänglichen Ort zum Opfer einer Straftat geworden. Damit ist er lediglich in seiner Sozialsphäre betroffen.

Der Kläger ist auch nicht aus sonstigen Gründen besonders schutzwürdig. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die Gefährdung einer Person durch die Bildveröffentlichung, insbesondere eine hierdurch bedingte konkrete Entführungsgefahr, eine nötigende Dauerverfolgung durch Paparazzi bei Prominenten sowie unter bestimmten Umständen die Ausnutzung von Heimlichkeit bei Anfertigung der Bildnisse den Ausnahmetatbestand des § 23 Abs. 2 KUG erfüllen können. Eine vergleichbare Fallgestaltung liegt hier indes nicht vor. Der Kläger macht zwar insoweit geltend, dass er durch die Bildveröffentlichung berufliche Nachteile erleide. Hierzu trägt er vor, dass sein Auftraggeber ihn nach dem Vorfall “bis zum 02.12.2013″ nicht mehr beauftragt und dies mit der Erkennbarkeit des Klägers auf den Videoaufnahmeh begründet habe. Selbst wenn man den Vortrag des Klägers als zutreffend unterstellt, ist er in seiner Berufsausübung jedoch allenfalls mittelbar durch die Bildveröffentlichung beeinträchtigt. Der Umstand, dass ein Personenschützer Opfer eines Überfalls wird, stellt für sich genommen bei verständiger Würdigung seine beruflichen Fähiqkeiten noch nicht in Frage. Der Kläger trägt hierzu - im Gegenteil - selbst vor, dass er den Angreifer erfolgreich in die Flucht geschlagen hat. Es mag sein, dass der Kläger durch die Veröffentlichung des Videos vorübergehend eine Bekanntheit erlanqt hat, die nach seiner Wahrnehmung für einen Personenschützer ungünstig ist. Die nur mittelbaren beruflichen Nachteile haben bei der vorzunehmenden Abwägung aber nicht das Gewicht einer persönlichen Gefährdung, die das typische Beispiel für eine zugunsten des Klägers vorzunehmende Interessenabwägung wäre.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91,709 ZPO.

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