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Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 13.02.2014, AZ: C‑466/12 - Framing I - Svensson

Druckversion
EuGH zum Framing I - Svensson
sonstige Angaben: 
3. Instanz
Urteilstext: 

 

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)

13. Februar 2014(*)

„Vorabentscheidungsersuchen – Rechtsangleichung – Urheberrecht und verwandte Schutzrechte – Richtlinie 2001/29/EG – Informationsgesellschaft – Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte – Art. 3 Abs. 1 – Öffentliche Wiedergabe – Begriff – Internetlinks (‚anklickbare Links‘), die geschützte Werke zugänglich machen“

In der Rechtssache C‑466/12

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Svea hovrätt (Schweden) mit Entscheidung vom 18. September 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 18. Oktober 2012, in dem Verfahren

Nils Svensson,

Sten Sjögren,

Madelaine Sahlman,

Pia Gadd

gegen

Retriever Sverige AB

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen, der Richter M. Safjan und J. Malenovský (Berichterstatter), der Richterin A. Prechal und des Richters S. Rodin,

Generalanwältin: E. Sharpston,

Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 7. November 2013,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        von Herrn Svensson, Herrn Sjögren und Frau Sahlman, vertreten durch O. Wilöf, förbundsjurist,

–        von Frau Gadd, vertreten durch R. Gómez Cabaleiro, abogado, und M. Wadsted, advokat,

–        der Retriever Sverige AB, vertreten durch J. Åberg, M. Bruder, und C. Rockström, advokater,

–        der französischen Regierung, vertreten durch D. Colas, F. X. Bréchot und B. Beaupère-Manokha als Bevollmächtigte,

–        der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von S. Fiorentino, avvocato dello Stato,

–        der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch J. Beeko als Bevollmächtigte im Beistand von N. Saunders, Barrister,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch J. Samnadda und J. Enegren als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. L 167, S. 10).

        Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Svensson, Herrn Sjögren, Frau Sahlman und Frau Gadd auf der einen und der Retriever Sverige AB (im Folgenden: Retriever Sverige) auf der anderen Seite über eine Entschädigung, die ihnen als Ausgleich für den Schaden geschuldet sei, der ihnen dadurch entstanden sein soll, dass auf die Internetseite dieses Unternehmens anklickbare Internetlinks („Hyperlinks“) gesetzt worden seien, die auf Presseartikel verwiesen, an denen ihnen das Urheberrecht zustehe.

 Rechtlicher Rahmen

 Internationales Recht

 WIPO-Urheberrechtsvertrag

        Die Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) nahm am 20. Dezember 1996 in Genf den WIPO-Urheberrechtsvertrag an. Dieser wurde durch den Beschluss 2000/278/EG des Rates vom 16. März 2000 (ABl. L 89, S. 6) im Namen der Europäischen Gemeinschaft genehmigt.

        Nach Art. 1 Abs. 4 des WIPO-Urheberrechtsvertrags müssen die Vertragsparteien den Art. 1 bis 21 der am 9. September 1886 in Bern unterzeichneten Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst (Pariser Fassung vom 24. Juli 1971) in der am 28. September 1979 geänderten Fassung (im Folgenden: Berner Übereinkunft) nachkommen.

 Berner Übereinkunft

        Art. 20 („Sonderabkommen zwischen Verbandsländern“) der Berner Übereinkunft bestimmt:

„Die Regierungen der Verbandsländer behalten sich das Recht vor, Sonderabkommen miteinander insoweit zu treffen, als diese den Urhebern Rechte verleihen, die über die ihnen durch diese Übereinkunft gewährten Rechte hinausgehen, oder andere Bestimmungen enthalten, die dieser Übereinkunft nicht zuwiderlaufen. Die Bestimmungen bestehender Abkommen, die den angegebenen Voraussetzungen entsprechen, bleiben anwendbar.“

 Unionsrecht

        In den Erwägungsgründen 1, 4, 6, 7, 9 und 19 der Richtlinie 2001/29 heißt es:

„(1)      Der Vertrag sieht die Schaffung eines Binnenmarkts und die Einführung einer Regelung vor, die den Wettbewerb innerhalb des Binnenmarkts vor Verzerrungen schützt. Die Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte trägt zur Erreichung dieser Ziele bei.

(4)      Ein harmonisierter Rechtsrahmen zum Schutz des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte wird durch erhöhte Rechtssicherheit und durch die Wahrung eines hohen Schutzniveaus im Bereich des geistigen Eigentums substanzielle Investitionen in Kreativität und Innovation einschließlich der Netzinfrastruktur fördern und somit zu Wachstum und erhöhter Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie beitragen, und zwar sowohl bei den Inhalten und der Informationstechnologie als auch allgemeiner in weiten Teilen der Industrie und des Kultursektors. …

(6)      Ohne Harmonisierung auf Gemeinschaftsebene könnten Gesetzgebungsinitiativen auf einzelstaatlicher Ebene, die in einigen Mitgliedstaaten bereits in die Wege geleitet worden sind, um den technischen Herausforderungen zu begegnen, erhebliche Unterschiede im Rechtsschutz und dadurch Beschränkungen des freien Verkehrs von Dienstleistungen und Produkten mit urheberrechtlichem Gehalt zur Folge haben, was zu einer Zersplitterung des Binnenmarkts und zu rechtlicher Inkohärenz führen würde. Derartige rechtliche Unterschiede und Unsicherheiten werden sich im Zuge der weiteren Entwicklung der Informationsgesellschaft, in deren Gefolge die grenzüberschreitende Verwertung des geistigen Eigentums bereits stark zugenommen hat, noch stärker auswirken. Diese Entwicklung wird und sollte fortschreiten. Erhebliche rechtliche Unterschiede und Unsicherheiten in Bezug auf den Rechtsschutz können die Erzielung von Größenvorteilen für neue Produkte und Dienstleistungen mit urheber- und leistungsschutzrechtlichem Gehalt beschränken.

(7)      Der bestehende Gemeinschaftsrechtsrahmen zum Schutz des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte ist daher anzupassen und zu ergänzen, soweit dies für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts erforderlich ist. Zu diesem Zweck sollten diejenigen einzelstaatlichen Rechtsvorschriften über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte, die sich von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat beträchtlich unterscheiden oder eine derartige Rechtsunsicherheit bewirken, dass der Binnenmarkt in seiner Funktionsfähigkeit beeinträchtigt und die Informationsgesellschaft in Europa in ihrer Entwicklung behindert wird, angepasst und uneinheitliches Vorgehen der Mitgliedstaaten gegenüber technischen Entwicklungen vermieden werden, während Unterschiede, die das Funktionieren des Binnenmarkts nicht beeinträchtigen, nicht beseitigt oder verhindert zu werden brauchen.

(9)      Jede Harmonisierung des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte muss von einem hohen Schutzniveau ausgehen, da diese Rechte für das geistige Schaffen wesentlich sind. Ihr Schutz trägt dazu bei, die Erhaltung und Entwicklung kreativer Tätigkeit im Interesse der Urheber, ausübenden Künstler, Hersteller, Verbraucher, von Kultur und Wirtschaft sowie der breiten Öffentlichkeit sicherzustellen. …

(19)      Die Urheberpersönlichkeitsrechte sind im Einklang mit den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten und den Bestimmungen der Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und der Kunst, des WIPO-Urheberrechtsvertrags und des WIPO-Vertrags über Darbietungen und Tonträger auszuüben. …“

        Art. 3 dieser Richtlinie bestimmt:

„(1)      Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass den Urhebern das ausschließliche Recht zusteht, die drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Wiedergabe ihrer Werke einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung der Werke in der Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind, zu erlauben oder zu verbieten.

(3)      Die in den Absätzen 1 und 2 bezeichneten Rechte erschöpfen sich nicht mit den in diesem Artikel genannten Handlungen der öffentlichen Wiedergabe oder der Zugänglichmachung für die Öffentlichkeit.“

 Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen

        Die Kläger des Ausgangsverfahrens, sämtlich Journalisten, verfassten Presseartikel, die zum einen in der Zeitung Göteborgs-Posten und zum anderen auf der Internetseite derGöteborgs-Posten veröffentlicht wurden. Retriever Sverige betreibt eine Internetseite, auf der für ihre Kunden nach deren Bedarf Listen von anklickbaren Internetlinks zu auf anderen Internetseiten veröffentlichten Artikeln bereitgestellt werden. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass diese Artikel auf der Seite der Zeitung Göteborgs-Posten frei zugänglich waren. Nach Ansicht der Kläger des Ausgangsverfahrens ist es für den Kunden bei Anklicken eines dieser Links nicht klar zu erkennen gewesen, dass er auf eine andere Seite weitergeleitet wurde, um zu dem Werk zu gelangen, das ihn interessiert. Demgegenüber ist es nach Auffassung von Retriever Sverige für den Kunden klar erkennbar, dass er durch Anklicken eines dieser Links auf eine andere Seite verwiesen wird.

        Die Kläger des Ausgangsverfahrens erhoben beim Stockholms tingsrätt (Gericht erster Instanz Stockholm) Schadensersatzklage gegen Retriever Sverige mit der Begründung, dass dieses Unternehmen ohne ihre Erlaubnis einige ihrer Artikel genutzt habe, indem es sie seinen Kunden zugänglich gemacht habe.

      Mit Urteil vom 11. Juni 2010 wies das Stockholms tingsrätt ihre Klage ab. Die Kläger des Ausgangsverfahrens legten daraufhin gegen dieses Urteil beim Svea hovrätt (Rechtsmittelgericht Svea) Rechtsmittel ein.

      Vor diesem Gericht machten sie insbesondere geltend, dass Retriever Sverige ihr ausschließliches Recht, ihre jeweiligen Werke der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, insoweit verletzt habe, als deren Kunden durch die auf deren Internetseite angebotenen Dienste Zugang zu ihren Werken verschafft worden sei.

      Retriever Sverige verteidigt sich damit, dass die Bereitstellung von Listen von Internetlinks zu Werken, die auf anderen Internetseiten öffentlich wiedergegeben würden, keine urheberrechtlich relevante Handlung darstelle. Retriever Sverige führt weiter aus, es liege keine Weitergabe irgendwelcher geschützten Werke durch sie vor; sie weise ihre Kunden lediglich auf Internetseiten hin, auf denen die Werke, die sie interessierten, zu finden seien.

      Unter diesen Umständen hat das Svea hovrätt beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Liegt eine öffentliche Wiedergabe eines bestimmten Werkes im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 vor, wenn ein anderer als der Inhaber des Urheberrechts an diesem Werk auf seiner Internetseite einen anklickbaren Link zu diesem Werk bereitstellt?

2.      Ist es für die Beurteilung der ersten Frage von Bedeutung, ob das Werk, auf das der Link hinweist, auf einer jedermann ohne Beschränkungen zugänglichen Internetseite zu finden ist oder ob der Zugang in irgendeiner Weise beschränkt ist?

3.      Ist bei der Beurteilung der ersten Frage zwischen dem Fall, in dem das Werk nach dem Anklicken des Links durch den Nutzer auf einer anderen Internetseite erscheint, und dem Fall zu unterscheiden, in dem das Werk nach dem Anklicken durch den Nutzer in einer Art und Weise erscheint, die den Eindruck vermittelt, dass es auf derselben Internetseite erscheint?

4.      Darf ein Mitgliedstaat einen weiter gehenden Schutz des Ausschließlichkeitsrechts des Urhebers vorsehen, indem er zulässt, dass die öffentliche Wiedergabe Handlungen umfasst, die über die Bestimmungen des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 hinausgehen?

 Zu den Vorlagefragen

 Zu den ersten drei Fragen

      Mit seinen ersten drei Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 dahin auszulegen ist, dass eine Handlung der öffentlichen Wiedergabe im Sinne dieser Bestimmung vorliegt, wenn auf einer Internetseite anklickbare Links zu auf einer anderen Internetseite verfügbaren geschützten Werken bereitgestellt werden, wobei die betreffenden Werke auf dieser anderen Seite frei zugänglich sind.

      Hierzu ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29, dass jede Handlung der öffentlichen Wiedergabe eines Werkes vom Inhaber des Urheberrechts erlaubt werden muss.

      Der Begriff der öffentlichen Wiedergabe hat nach dieser Bestimmung somit zwei kumulative Tatbestandsmerkmale, nämlich eine „Handlung der Wiedergabe“ eines Werkes und seine „öffentliche“ Wiedergabe (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. März 2013, ITV Broadcasting u. a., C‑607/11, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 21 und 31).

      Was das erste Tatbestandsmerkmal, das Vorliegen einer „Handlung der Wiedergabe“, angeht, ist diese weit zu verstehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. Oktober 2011, Football Association Premier League u. a., C‑403/08 und C‑429/08, Slg. 2011, I‑9083, Rn. 193), um, wie sich insbesondere aus den Erwägungsgründen 4 und 9 der Richtlinie 2001/29 ergibt, für die Inhaber eines Urheberrechts ein hohes Schutzniveau sicherzustellen.

      Dass auf einer Internetseite anklickbare Links zu geschützten Werken bereitgestellt werden, die auf einer anderen Seite ohne Zugangsbeschränkung veröffentlicht sind, bietet den Nutzern der erstgenannten Seite im vorliegenden Fall direkten Zugang zu diesen Werken.

      Wie aus Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 hervorgeht, reicht es für eine „Handlung der Wiedergabe“ insbesondere aus, wenn ein Werk einer Öffentlichkeit in der Weise zugänglich gemacht wird, dass deren Mitglieder dazu Zugang haben, ohne dass es darauf ankommt, ob sie diese Möglichkeit nutzen oder nicht (vgl. entsprechend Urteil vom 7. Dezember 2006, SGAE, C‑306/05, Slg. 2006, I‑11519, Rn. 43).

      Daraus folgt, dass die Bereitstellung von anklickbaren Links zu geschützten Werken unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens als „Zugänglichmachung“ und deshalb als „Handlung der Wiedergabe“ im Sinne der genannten Bestimmung einzustufen ist.

      Was das zweite der oben angeführten Tatbestandsmerkmale betrifft, dass das geschützte Werk tatsächlich „öffentlich“ wiedergegeben werden muss, ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29, dass „Öffentlichkeit“ im Sinne dieser Bestimmung eine unbestimmte Zahl potenzieller Adressaten umfasst und zudem eine ziemlich große Zahl von Personen impliziert (Urteile SGAE, Rn. 37 und 38, sowie ITV Broadcasting u. a., Rn. 32).

      Eine Handlung der Wiedergabe wie die, die der Betreiber einer Internetseite mit anklickbaren Links vornimmt, betrifft sämtliche potenziellen Nutzer der von ihm betriebenen Seite, d. h. eine unbestimmte und ziemlich große Zahl von Adressaten.

      Deshalb ist davon auszugehen, dass dieser Betreiber eine Wiedergabe für eine Öffentlichkeit vornimmt.

      Jedoch kann eine Wiedergabe wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, die dieselben Werke umfasste wie die ursprüngliche Wiedergabe und wie diese im Internet, also nach demselben technischen Verfahren, erfolgte, nach ständiger Rechtsprechung nur dann unter den Begriff „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 fallen, wenn sie sich an ein neues Publikum richtet, d. h. an ein Publikum, das die Inhaber des Urheberrechts nicht hatten erfassen wollen, als sie die ursprüngliche öffentliche Wiedergabe erlaubten (vgl. entsprechend Urteil SGAE, Rn. 40 und 42, Beschluss vom 18. März 2010, Organismos Sillogikis Diacheirisis Dimiourgon Thetrikon kai Optikoakoustikon Ergon, C‑136/09, Rn. 38, und Urteil ITV Broadcasting u. a., Rn. 39).

      Im vorliegenden Fall führt der Umstand, dass die betreffenden Werke über einen anklickbaren Link der im Ausgangsverfahren verwendeten Art zugänglich gemacht werden, nicht zu einer Wiedergabe der fraglichen Werke für ein neues Publikum.

      Das Zielpublikum der ursprünglichen Wiedergabe waren nämlich alle potenziellen Besucher der betreffenden Seite; da feststeht, dass der Zugang zu den Werken auf dieser Seite keiner beschränkenden Maßnahme unterlag, war sie demnach für sämtliche Internetnutzer frei zugänglich.

      Da die betreffenden Werke auf der Seite, auf der sie ursprünglich wiedergegeben wurden, sämtlichen Nutzern einer anderen Seite, für die eine Wiedergabe dieser Werke über einen anklickbaren Link erfolgte, ohne Zutun des Betreibers dieser anderen Seite unmittelbar zugänglich waren, sind die Nutzer dieser von ihm betriebenen Seite demnach als potenzielle Adressaten der ursprünglichen Wiedergabe und daher als Mitglieder der Öffentlichkeit anzusehen, die die Inhaber des Urheberrechts hatten erfassen wollen, als sie die ursprüngliche Wiedergabe erlaubten.

      Mangels neuen Publikums ist deshalb für eine öffentliche Wiedergabe wie die im Ausgangsverfahren keine Erlaubnis der Urheberrechtsinhaber erforderlich.

      Diese Feststellung kann nicht in Frage gestellt werden, wenn das vorlegende Gericht konstatieren sollte, was aus den Akten nicht eindeutig hervorgeht, dass das Werk bei Anklicken des betreffenden Links durch die Internetnutzer in einer Art und Weise erscheint, die den Eindruck vermittelt, dass es auf der Seite erscheint, auf der sich dieser Link befindet, obwohl es in Wirklichkeit einer anderen Seite entstammt.

      Dieser weitere Umstand ändert nämlich nichts an der Schlussfolgerung, dass die auf einer Seite erfolgte Bereitstellung eines anklickbaren Links zu einem geschützten Werk, das auf einer anderen Seite veröffentlicht und frei zugänglich ist, bewirkt, dass dieses Werk den Nutzern der erstgenannten Seite zugänglich gemacht wird und deshalb eine öffentliche Wiedergabe darstellt. Da es jedoch kein neues Publikum gibt, ist jedenfalls für eine solche öffentliche Wiedergabe keine Erlaubnis der Urheberrechtsinhaber erforderlich.

      Demgegenüber sind in dem Fall, in dem ein anklickbarer Link es den Nutzern der Seite, auf der sich der Link befindet, ermöglicht, beschränkende Maßnahmen zu umgehen, die auf der Seite, auf der das geschützte Werk zu finden ist, getroffen wurden, um den Zugang der Öffentlichkeit allein auf ihre Abonnenten zu beschränken, und es sich damit um einen Eingriff handelt, ohne den die betreffenden Nutzer auf die verbreiteten Werke nicht zugreifen könnten, alle diese Nutzer als neues Publikum anzusehen, das die Inhaber des Urheberrechts nicht hatten erfassen wollen, als sie die ursprüngliche Wiedergabe erlaubten, so dass für eine solche öffentliche Wiedergabe die Erlaubnis der Urheberrechtsinhaber erforderlich ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn das Werk auf der Seite, auf der die ursprüngliche Wiedergabe erfolgte, nicht mehr öffentlich zugänglich ist oder wenn es nunmehr auf dieser Seite nur einem begrenzten Publikum zugänglich ist, während es auf einer anderen Internetseite ohne Erlaubnis der Urheberrechtsinhaber zugänglich ist.

      Demnach ist auf die ersten drei Vorlagefragen zu antworten, dass Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 dahin auszulegen ist, dass keine Handlung der öffentlichen Wiedergabe im Sinne dieser Bestimmung vorliegt, wenn auf einer Internetseite anklickbare Links zu Werken bereitgestellt werden, die auf einer anderen Internetseite frei zugänglich sind.

 Zur vierten Frage

      Mit seiner vierten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 dahin auszulegen ist, dass er es einem Mitgliedstaat verbietet, einen weiter gehenden Schutz der Inhaber eines Urheberrechts vorzusehen, indem er zulässt, dass die öffentliche Wiedergabe Handlungen umfasst, die über diese Bestimmung hinausgehen.

      Hierzu ergibt sich insbesondere aus den Erwägungsgründen 1, 6 und 7 der Richtlinie 2001/29, dass mit ihr vor allem die rechtlichen Unterschiede und Unsicherheiten rund um den Urheberrechtsschutz beseitigt werden sollen. Dürfte ein Mitgliedstaat einen weiter gehenden Schutz der Inhaber eines Urheberrechts vorsehen, indem er zulässt, dass die öffentliche Wiedergabe auch andere als die in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 vorgesehenen Handlungen umfasst, entstünden dadurch rechtliche Unterschiede und somit für Dritte Rechtsunsicherheit.

      Deshalb würde das mit der Richtlinie 2001/29 verfolgte Ziel zwangsläufig beeinträchtigt, wenn verschiedene Mitgliedstaaten die öffentliche Wiedergabe so verstehen dürften, dass sie Handlungen umfasst, die über Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie hinausgehen.

      Nach ihrem siebten Erwägungsgrund bezweckt diese Richtlinie zwar nicht, Unterschiede, die das Funktionieren des Binnenmarkts nicht beeinträchtigen, zu beseitigen oder zu verhindern. Wäre jedoch den Mitgliedstaaten die Befugnis zuzuerkennen, zuzulassen, dass die öffentliche Wiedergabe Handlungen umfasst, die über Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie hinausgehen, würde dadurch zwangsläufig das Funktionieren des Binnenmarkts beeinträchtigt.

      Folglich kann Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 nicht so verstanden werden, dass ein Mitgliedstaat einen weiter gehenden Schutz der Inhaber eines Urheberrechts vorsehen darf, indem er zulässt, dass die öffentliche Wiedergabe Handlungen umfasst, die über diese Bestimmung hinausgehen.

      Diese Schlussfolgerung wird nicht durch den von den Klägern des Ausgangsverfahrens in ihrer schriftlichen Stellungnahme angeführten Umstand in Frage gestellt, dass die Unterzeichnerländer nach Art. 20 der Berner Übereinkunft „Sonderabkommen“ miteinander treffen können, um den Urheberrechtsinhabern Rechte zu verleihen, die über die in dieser Übereinkunft vorgesehenen Rechte hinausgehen.

      Insoweit genügt der Hinweis, dass ein Mitgliedstaat vom Erlass einer unionsrechtswidrigen Maßnahme absehen muss, wenn eine Übereinkunft ihm gestattet, eine solche Maßnahme zu treffen, ohne ihn jedoch dazu zu verpflichten (Urteil vom 9. Februar 2012, Luksan, C‑277/10, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 62).

      Da das Ziel der Richtlinie 2001/29 zwangsläufig beeinträchtigt würde, wenn die öffentliche Wiedergabe so zu verstehen wäre, dass sie Handlungen umfasst, die über Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie hinausgehen, muss ein Mitgliedstaat davon absehen, von der ihm durch Art. 20 der Berner Übereinkunft eingeräumten Befugnis Gebrauch zu machen.

      Daher ist auf die vierte Frage zu antworten, dass Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 dahin auszulegen ist, dass er es einem Mitgliedstaat verbietet, einen weiter gehenden Schutz der Inhaber eines Urheberrechts vorzusehen, indem er zulässt, dass die öffentliche Wiedergabe Handlungen umfasst, die über diese Bestimmung hinausgehen.

 Kosten

      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:

1.      Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft ist dahin auszulegen, dass keine Handlung der öffentlichen Wiedergabe im Sinne dieser Bestimmung vorliegt, wenn auf einer Internetseite anklickbare Links zu Werken bereitgestellt werden, die auf einer anderen Internetseite frei zugänglich sind.

2.      Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 ist dahin auszulegen, dass er es einem Mitgliedstaat verbietet, einen weiter gehenden Schutz der Inhaber eines Urheberrechts vorzusehen, indem er zulässt, dass die öffentliche Wiedergabe Handlungen umfasst, die über diese Bestimmung hinausgehen.

Unterschriften


 

Verfahrenssprache: Schwedisch.